Das Hochwasser im vergangenen Jahr sorgte für Bilder, die man nie vergisst. Tosende Bäche und Flüsse, die kaum wiederzuerkennen waren, verschwundene Straßen und vollgelaufene Keller. Es wurde nur noch eines beobachtet: der steigende Pegel. Ingenieur Leonhard Lange vom Büro Wand und Corbe weiß, dass es sich hierbei um ein Flusshochwasser handelte. Im Unterschied dazu sorgten in den Jahren 2018 und 2021 sogenannte Starkregenereignisse dafür, dass sich auf den Straßen in Kirchheim so viel Wasser sammelte, dass weder Mensch noch Auto durchkamen.
Starkregen kann jeden treffen
Bis ein Fluss über das Ufer tritt, sind, laut Lange, oft langanhaltende Niederschläge erforderlich, und auch dann steigen die Pegel meist nur langsam, sodass sich die Gefahren und Schäden vergleichsweise gut vorhersagen lassen. Die Menschen, die in Fluss- oder Bachnähe wohnen, seien in der Regel auf Hochwasser eingestellt. „Bei Starkregen kann es jedoch jeden treffen – und das unvorbereitet“, sagt Bianca Arnold, die bei der Stadtverwaltung Kirchheim im Bereich technische Infrastruktur tätig ist. So gab es im Jahr 2021 auch auf dem Schafhof Überschwemmungen, obwohl man meinen müsste, dass man auf dem Berg sicher ist, sagt die Verwaltungsmitarbeiterin.
Eine weitere Schwierigkeit bei der Vermeidung von Starkregenschäden besteht nach der Ansicht Langes darin, dass sich der Ort des Niederschlags nur schwer vorhersagen lässt. „Manchmal weiß man nur eine Stunde im Vorfeld, welches Gebiet von der Gewitterzelle betroffen ist.“ Im Jahr 2018 habe es beispielsweise Lindorf und Ötlingen sehr stark erwischt, während Jesingen und Nabern so gut wie verschont geblieben seien.
So reagierte Kirchheim
„Das alles ist nicht irgendwo passiert, sondern direkt in der Region – nur innerhalb von drei Jahren gab es diese Extremereignisse“, sagt Bianca Arnold. Bereits im Jahr 2018 hat sich die Stadt Kirchheim dazu entschieden, zu handeln, und hat das Ingenieurbüro Wand und Corbe mit einer Starkregenuntersuchung beauftragt. Die Untersuchung lief in drei Schritten ab: der Gefährdungsanalyse (inklusive Erstellung einer Starkregengefahrenkarte), der Risikoanalyse (Inspektion einzelner Objekte im Stadtbereich) und der Erstellung eines Handlungskonzepts (Maßnahmen schaffen und Gefahren reduzieren). Bislang erarbeiteten die Ingenieure 61 Konzepte, davon wurden elf umgesetzt und sieben sind in der Planung, sagt Arnold.
Vorgeschlagene Maßnahen
Ganz konkret heißt das: In der Neuen Straße und in der Bissinger Straße in Kirchheim sollten sogenannte Retentionsräume entstehen. Das sind Flächen, in denen sich bei Überschwemmungen das Wasser sammelt, um zu verhindern, dass es in Siedlungen gelangt, erklärt Leonhard Lange. Auch am Wangerhaldenbach würden sich Retentionsräume anbieten, da hier die Gefahr des Überlaufens bestehe.
Ein weiterer Vorschlag sieht vor, überschüssiges Wasser in den Gießnaubach überzuleiten. Eine Nachfrage aus dem Publikum, das der Infoveranstaltung im Büchereisaal lauscht, lässt nicht auf sich warten: „Was ist mit den Häusern, die am Bach stehen?“ Leonhard Lange erklärt: „Die Auswirkungen berechnen wir natürlich im Vorfeld, für Dritte dürfen keine Nachteile entstehen.“ – „Wir sind seit 2019 dran, die vorgeschlagenen Maßnahmen umzusetzen“, sagt Bianca Arnold. In Lindorf und Ötlingen wurde begonnen: So gab es für einige Bäche neue Rechen, um eine sogenannte Verklausung – einfach ausgedrückt, ein Verstopfen – zu verhindern. An Feldwegen wurde die Neigung angepasst, damit künftig kein Wasser mehr in die Stadt fließen kann.

Im Burgtobelgraben besteht, so Arnold, ein anderes Problem: Der Verdolungseinlauf war bereits bei Starkregen durch Laub und Sedimente verstopft, die von den Wassermassen angespült wurden. Deshalb gilt es dort, den Recheneinlauf, der den Schutt fernhält, zu verbessern. Am Dupiggraben hat die Stadtverwaltung zwei Warnpegel angebracht, die anschlagen, wenn Hochwasser droht. Im Steingrubenweg soll eine Erhöhung der Fahrbahn dafür sorgen, dass das Wasser in den Dupiggraben fließt und nicht die Straße überschwemmt. Bianca Arnold betont: „Das sind zwar kleine Maßnahmen, durch die erstellten Starkregengefahrenkarte kann man aber gut erkennen, wo genau eine Maßnahme etwas bringt.“
Brücke neu gebaut
Andernorts habe die Erfahrung gezeigt, dass etwas getan werden muss: so auch an der Mündung des Kegelesbachs. Der Radweg nach Ötlingen ist schon seit Monaten gesperrt, weil der Kanal erneuert wird – und in diesem Zuge auch die Brücke. „Sie war deutlich zu klein“, sagt Bianca Arnold. Das sorgte bereits für eine Überflutung, weshalb eine Aufdimensionierung nötig war. „Jetzt kann sie einem sogenannten HQ100-Flusshochwasser, also einem Ereignis, das im Durchschnitt nur einmal alle 100 Jahre auftritt, standhalten.“ Weil in diesem Bereich jedoch die Lauter viel Wasser führe, käme es immer noch zu Überflutungen – aber deutlich reduziert. Bei Neubauten würde die Stadt Kirchheim, so Arnold, nun die Starkregengefahrenkarte hinzuziehen. Das sei beispielsweise auch beim neuen Kindergarten in Nabern geschehen. Unter anderem wurden im Außenbereich Mulden angelegt, in denen sich Wasser sammeln kann.
Bis zum 5. Mai sind noch Anmeldungen für eine Beratung zur Eigenvorsorge möglich. Die Starkregengefahrenkarte bietet die Möglichkeit, die Gefahr, die im eigenen Wohngebiet droht, einzuschätzen. Die Karte und das Anmeldeformular sind hier abrufbar.
Das Eigenheim vor Wasser schützen
Durch Lichtschächte und Kellerabgänge könne, so Leonard Lange, Wasser ins Innere des Hauses gelangen. Deshalb würde es sich lohnen, um Lichtschächte eine Mauer zu bauen und dadurch eine Erhöhung zu schaffen, die das Wasser zurückhält. Gleich ein wasserdichtes Fenster oder gar eine wasserdichte Tür einzubauen, schütze zwar sehr effektiv vor eindringendem Wasser, hier müssten aber ganz klar die Kosten im Auge behalten werden. „Im Endeffekt muss immer eine Kosten-Nutzen-Abwägung durchgeführt werden.“ Denn solch eine Tür könne schnell zwischen 10.000 und 20.000 Euro kosten. Das Gleiche gilt, so Lange, für ein wasserdichtes Garagentor: Man solle sich die Frage stelle, ob die Gegenstände in der Garage die Investition wert sind oder ob es reiche, die Tür dahinter, die ins Wohnhaus führe, aufzurüsten. Dämme könnten um Eingänge und Einfahrten errichtet werden, wichtig sei es jedoch, darauf zu achten, dass das Wasser nicht zum Nachteil des Nachbars abgeleitet wird.
Das Wasser könne, so Leonhard Lange, nicht nur von außen, sondern auch durch die Leitungen ins Haus eindringen. Hier sei es sinnvoll, über eine Rückstausicherung nachzudenken.