Kirchheim. Die Stadt Tübingen hat es vorgemacht, die Stadt Kirchheim würde es eigentlich ganz gerne nachmachen: eine Verpackungssteuer auf Essen und Getränke zu erheben, die zum Mitnehmen angeboten werden. Die Kunden müssten dann entweder ihre eigenen Gefäße mitbringen oder auf die Mehrwegangebote der jeweiligen Betriebe zurückgreifen. Das alles gibt es bereits, aber es ist eben nicht wirklich verpflichtend. Zwar besteht eine Mehrwegangebotspflicht. Aber sie gilt nur unter bestimmten Voraussetzungen, und die Einhaltung dieser Pflicht wird kaum überprüft.
Verpackungen vermüllen nach wie vor die Stadt – nicht nur innerhalb des Alleenrings, sondern auch an Ausfallstraßen, wo sich Schnellrestaurants mit Mitnahmeangeboten befinden, die bei der Verpackung ihrer Waren nach wie vor auf Einweg statt auf Mehrweg setzen. Die unschöne ästhetische Wirkung ist aber nur ein Teil des Problems. Auch die Umwelt wird durch die Einweg-Angebote ebenso stark wie unnötig belastet.
Tübingen immer im Blick
Grund genug für die Grünen-Fraktion im Kirchheimer Gemeinderat, eine Verpackungssteuer wie in Tübingen zu fordern, und zwar mit Nachdruck. Die Stadtverwaltung hat jetzt im Gemeinderat auf die entsprechenden Anträge reagiert. Die Antwort zeigt allerdings, dass es nicht ganz so leicht ist, wie es mit Blick auf die Universitätsstadt aussehen mag.
Der zweite Blick auf Tübingen zeigt, dass es auch dort nicht ohne weiteres möglich ist, die Verpackungssteuer durchzusetzen. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht das Tübinger Vorgehen für rechtmäßig erklärt. Aber damit ist das letzte juristische Wort noch lange nicht gesprochen, denn mittlerweile liegt eine Verfassungsklage gegen die Verpackungssteuer in der Neckarstadt vor. Bis das Bundesverfassungsgericht darüber entscheidet, kann aber noch viel Neckar-Wasser am Hölderlinturm vorbeifließen.
Die Sitzungsvorlage für den Kirchheimer Gemeinderat klärt über die Zeiträume auf: Innerhalb eines Jahres dürfte das Verfassungsgericht darüber entscheiden, ob es die Klage überhaupt annimmt. Falls nicht, bestünde vergleichsweise bald die entscheidende Rechtssicherheit, um eine Verpackungssteuer auch in Kirchheim einzuführen. Falls sich Karlsruhe aber doch entscheidet, die Klage anzunehmen, könnte der Prozess drei bis fünf Jahre dauern – mit ungewissem Ausgang.
Oberbürgermeister Pascal Bader erklärte es als Ziel der Stadtverwaltung, Müll zu reduzieren und die Sauberkeit zu erhöhen. „Das halten wir für sinnvoll, und die Verpackungssteuer könnte ein Instrument dafür sein.“ Allerdings sei die Zeit noch nicht reif dafür: „Wir sollten abwarten, bis die rechtliche Situation geklärt ist.“ In der Zwischenzeit gelte es, andere Instrumente zu nutzen: „Die Mehrwegangebotspflicht wird noch viel zu wenig umgesetzt. Wir müssen sie stärker anmahnen.“
Grünen-Stadträtin Sabine Lauterwasser würde sich eine Verpackungssteuer auf Bundesebene wünschen: „Ziel müsste es sein, irgendwann keine Einnahmen mehr zu erzielen mit dieser Steuer.“ Für den Anfang könne die Stadt aber überlegen, wie man bei größeren Veranstaltungen auf Einweg verzichten kann. Andreas Volz