Kirchheim
Kirchheim erlaubt PV-Module auf Dächern der Innenstadt

Stromerzeugung   Kirchheim macht durch ein „Solarkataster“ den Weg frei, um auch in der Innenstadt künftig PV-Anlagen erlauben zu können. Mit dem Denkmalschutz lässt sich das in Einklang bringen.  Von Andreas Volz

Solarmodule auf Altstadtdächern: Für die einen ist das pure Notwendigkeit – sei es im Kampf gegen den Klimawandel oder auch gegen die hohen Energiepreise. Für die anderen ist es Frevel am historischen Erbe der Altstadt. So unterschiedlich aber die Ansichten sein mögen, es gibt Kompromisse, mit denen beide Seiten zufrieden sind.

Die Stadt Kirchheim hat zu diesem Zweck ein Solarkataster erstellt. Es teilt die Innenstadt in drei Kategorien ein. Die höchste Kategorie trägt den Namen „Stadtbausteine“. Dazu gehören die stadtbildprägenden Gebäude, die in vielerlei Hinsicht herausragend sind: die Martinskirche, das Kornhaus, das Rathaus
 

Wir wollen Photovoltaik in der Altstadt nicht verhindern, sondern ermöglichen.
Pascal Bader
zum Zweck des Solarkatasters
 

und etliche mehr. Auf deren Dächern sind Solarmodule „weitgehend ausgeschlossen“, wie es in der Sitzungsvorlage des Gemeinderats heißt. In der Sitzung selbst sagte es Bernadette Schwenker vom Sachgebiet Stadtplanung noch deutlicher: „Da sehen wir keine Möglichkeit:“

Die zweite Kategorie ist die „Kernzone“. Dabei handelt es sich um die wichtigsten Straßen und Plätze in der Innenstadt. Je nachdem, an welcher Stelle dort PV-Anlagen geplant sind und wie sichtbar diese Anlagen in der Praxis ausfallen, sollen im Kernzonen-Bereich Solarmodule möglich sein. Die Bedingungen dafür gleichen denen der dritten Kategorie, zu der jene Bereiche zählen, die für das Stadtbild nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Wo ein Dach von der Straße aus nicht einsehbar ist, gibt es so gut wie keine Einschränkungen. An Stellen, die stärker ins Auge stechen, kommt es auf die jeweilige Ausführung an. Über die Zulässigkeit entscheidet dann die Verwaltung, teils auch unter Mitwirkung des Gestaltungsbeirats.

Letzterer war an der Ausarbeitung des Katasters beteiligt. Und selbst das Landesamt für Denkmalpflege hat im Grundsatz bereits zugestimmt. Bernadette Schwenker verwies im Gemeinderat außerdem auf den technischen Fortschritt. Demzufolge sind PV-Anlagen auch in Rotbraun erhältlich, sodass sie sich farblich kaum mehr von den Dachziegeln unterscheiden. Nicht zu vergessen die Dachziegel, in die Solarmodule eingearbeitet sind, sodass es gar nicht mehr auffällt, dass sich im Inneren kleine Kraftwerke verbergen.

Kirchheims Oberbürgermeister Pascal Bader betonte im Gemeinderat: „Die Satzung soll PV nicht verhindern, sondern ermöglichen.“ Wichtig sei auch eine geänderte Einstellung zur Thematik: „Eine PV-Anlage lässt sich mit dem Denkmalschutz vereinbaren, weil sie keine Gebäudesubstanz zerstört.“

Diese Aussage ist für den SPD-Fraktionsvorsitzenden Marc Eisenmann schon ein großer Fortschritt in der gesamten Diskussion. „Ich würde aber nichts von vornherein ausschließen wollen“, sagte er und nannte auch gleich ein Beispiel dafür: „Was machen wir, wenn die evangelische Kirchengemeinde eines Tages mit dem Wunsch an uns herantritt, das Dach der Martinskirche mit Solarziegeln auszustatten?“ Für Stadtrat Hans-Peter Birkenmaier (Freie Wähler) wäre das kein allzu großes Problem, denn bei der Abwägung zwischen Baudenkmal und Klimaschutz ist ihm die regenerative Stromgewinnung „wichtiger als der freie Blick auf Ziegeldächer“. Den Kompromiss, den das Solarkataster bietet, kann er aber gutheißen.
 

Großer wirtschaftlicher Nutzen

Max Blon (Grüne) erkannte ebenfalls an, dass der Denkmalschutz bestehen bleibt. „PV-Anlagen haben auch einen wirtschaftlichen Aspekt für die Eigentümer und Nutzer der Gebäude, den wir nicht unterschätzen dürfen.“

Auf die Frage von Linken-Stadtrat Heinrich Brinker, warum man den ausgerechnet in der sensiblen Altstadt beginnen müsse, antwortete der Oberbürgermeister: „Das tun wir ja gar nicht. Wir wollen aber die Möglichkeit dafür bieten, um somit Händler und Gastronomen in der Innenstadt halten zu können.“ Bürgermeister Günter Riemer ergänzte: „An anderen Stellen in der Stadt ist PV ja durchaus möglich. Wir konzentrieren uns hier nur deshalb auf die Innenstadt, weil es dort bislang nicht möglich war.“

Der Gemeinderat hat dem Konzept zugestimmt – bei zwei Enthaltungen. Die Solarenergie in der Innenstadt kann also kommen.

 

 

Kommentar
Andreas Volz
zur Debatte um das Solarkataster

Bitte sachlich bleiben

Schön, wenn es Kompromisse gibt, die alle Beteiligten zufriedenstellen: Das Kirchheimer „Solarkataster“ ermöglicht es den Eigentümern in der Innenstadt, auf ihren Hausdächern Strom zu erzeugen. Das ist gut fürs Klima. Und es rentiert sich auch wirtschaftlich, die Sonne als kostenlosen Energielieferanten „anzuzapfen“. Dank der Abstufung in drei unterschiedlichen Kategorien bleibt trotzdem auch das historische Erscheinungsbild der Ziegeldachlandschaft innerhalb des Alleenrings gewahrt – zumindest für Menschen, die dort zu Fuß unterwegs sind.

Wird so ein Kompromiss im vernünftigen Ringen um die richtige Lösung ausgearbeitet, wie in diesem Fall geschehen – umso besser. Eines der Argumente, die im Ratsrund fielen, war dagegen mehr als unsinnig: „Hätte es 1690 schon Solarmodule gegeben, müssten wir darüber gar nicht diskutieren. Dann hätte unsere historische Altstadt schon seit dem Wiederaufbau nach dem Stadtbrand Solarmodule auf allen Dächern.“

So witzig diese Bemerkung gemeint sein mag – die Sache ist viel zu ernst, um sich darüber lustig zu machen. Es darf nämlich keinen „Sieg“ der fortschrittlichen Energiegewinnung über die Bedeutung des historischen Erbes geben. Und den gibt es zum Glück auch nicht.

Die Geschichte hat ihre Berechtigung. Deshalb ist es vom „Sandalenfilm“ über die „Landshuter Hochzeit“ bis hin zum Western vernünftig, auf historische Detailtreue zu achten: Wer dort mitspielt, hat tunlichst weder eine Armbanduhr zu tragen noch ein Smartphone in der Hand zu halten. Zu sagen, „hätte es das damals bereits gegeben, hätte auch Cäsar schon nach Asterix gegoogelt“, ist ein ebenso dummes wie überflüssiges Totschlagargument.

Gut, dass der Gemeinderat die Debatte weitgehend versachlicht und vor allem die richtige Entscheidung getroffen hat.