Und plötzlich hat es „Blitz’ gemacht: Auf dem Weg nach Holzmaden hat es den Autoren dieses Textes mit 38 Stundenkilometern nach Abzug der Toleranz erwischt. Stimmt, da war doch was: Die Ortsdurchfahrt Jesingen zwischen Kepler- und Kirchstraße ist seit Juni vergangenen Jahres Tempo-30-Bereich, ebenso wie der Abschnitt von der Stadtmitte bis zum Freibad, die Tannenbergstraße oder die Steingaustraße oder die Ortsdurchfahrt Lindorf.
Die Hauptgründe: Weniger Lärm, mehr Sicherheit und sogar eine Förderung des Verkehrsflusses. „Bei Forschungsvorhaben
hat sich gezeigt, dass die real gefahrene Durchschnittsgeschwindigkeit sogar leicht ansteigt“, teilt Vanessa Palesch von der Stadt Kirchheim auf Anfrage mit.
Bei anderen sorgen die Abschnitte an einer Durchgangsstraße wie in Jesingen für Verwirrung: „„Man weiß oft gar nicht, was man fahren darf. Ich bin noch so sozialisiert, dass man in Wohngebieten 30, aber sonst innerorts 50 fährt“, sagt Thomas Heidkamp. Der Jesinger Hallenwirt und Inhaber des Bistro 93 stellt bei seinen Gästen einen Mix aus Gelassen- und Ratlosigkeit fest „Die Leute haben es hingenommen, verstehen tun sie es nicht so richtig“, sagt er. Eine häufig gestellte Frage sei, ob Tempo 30 wieder abgeschafft werde, wenn alle E-Autos fahren. Denn Lärm gebe es dann ja nicht mehr. Den Vorteil für die Umwelt sieht Heidkamp auch nicht: „Im zweiten Gang hochtourig fahrend ist die Schadstoffbelastung doch höher“, glaubt er.
Es ist nicht alles schlecht
Andere Anwohner wie der Jesinger Dieter Ilg können der Regelung durchaus etwas abgewinnen. „Man hat schon am zweiten Tag gemerkt, dass es ruhiger wird“, sagt er. Als Fahrradfahrer fühle er sich nun sicherer, vor allem wenn er abbiegen möchte. Allerdings, so Ilg, müsse man die Infrastruktur anpassen. „Eine Vorschlag wäre, die Ampel an der Kirche gegen einen Zebrastreifen zu tauschen. Die ist ja sonst ständig rot“, meint er.
Eine andere Idee vertritt Giancarlo Crescente: Tempo 30 nur bei Nacht. Der Vorsitzende der Kirchheimer Jungen Union hat bei einer Online-Petition mehr als 1800 Befürworter gefunden. Nun soll sie Oberbürgermeister Pascal Bader vorgelegt werden. Die Kernargumenten der JU widersprechen teilweise den Stadtplanern: Die Reisedauer verlängert sich nach Messungen es ADAC um 25 Prozent, die Feinstaubbelastung steige. Während es für den Durchgangsverkehr ärgerlich sei, bringe Tempo 30 für freiwillige Feuerwehrleute auf der Anfahrt zum Gerätehaus gar „eine ernstzunehmende Gefahr für die Allgemeinheit“, glaubt die Junge Union. Vor Schulen oder anderen Einrichtungen solle aber ganztägig Tempo 30 gelten.
Vanessa Palesch verweist auf die größeren Zusammenhänge. „Von der Bundesregierung sei vorgegeben, dass Flüssigkeit des Autoverkehrs nicht mehr Vorrang habe, sondern Ziele des Klima-, Umwelt und Gesundheitsschutzes stärker gewichtet werden. Dazu gehöre auch, so die Sprecherin der Stadt, die Aufenthaltsqualität an städtischen Straßen zu steigern: „Tempo 30 ermöglicht eine sicherere und angenehmere Umgebung für Fußgänger und Radfahrer.“ Das hänge aber stark von den Gegebenheiten ab. „Tempo 30 ist pauschal nicht immer besser“, betont sie. Eine flächendeckende Tempo-30-Reglung für Kirchheim scheint daher nicht zu erwarten. Aktuell ist 30 aber für die Ortsdurchfahrt Nabern und einen weiteren Teil der Tannenbergstraße geplant.
Und kommt durch Blitzer mehr ins Stadtsäckel außer den 30 Euro des Verfassers dieser Zeilen? Die Antwort der Stadt: „Dies können wir statistisch leider nicht herausfiltern. Klar ist aber, dass vor allem in den ersten Wochen und Monaten nach neuen Geschwindigkeitsfestsetzungen deutlich vermehrt Verstöße festzustellen sind.“