Kirchheim. Atomwaffen sind gefährlich und sollten verboten werden: Beim ersten Teil dieser Aussage waren sich alle einig, aber über den richtigen Weg hin zu einem Verbot gab es eine kontroverse Diskussion im Kirchheimer Gemeinderat. Im Januar hatte die Grünen-Fraktion beantragt, dass die Stadt Kirchheim einen Appell der Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) unterzeichnet. Der Appell hat folgenden Wortlaut:
„Unsere Stadt ist zutiefst besorgt über die immense Bedrohung, die Atomwaffen für unsere Städte und Gemeinden auf der ganzen Welt darstellen. Wir sind fest überzeugt, dass unsere Einwohner und Einwohnerinnen das Recht auf ein Leben frei von dieser Bedrohung haben. Jeder Einsatz von Atomwaffen, ob vorsätzlich oder versehentlich, würde katastrophale, weitreichende und langanhaltende Folgen für Mensch und Umwelt nach sich ziehen. Daher begrüßen wir den von den Vereinten Nationen verabschiedeten Vertrag zum Verbot von Atomwaffen 2017 und fordern die Bundesregierung zu deren Beitritt auf.“
Ein symbolisches Zeichen
Grünen-Stadtrat Manfred Machoczek sprach von einem symbolischen Akt, was der SPD-Fraktionsvorsitzende Marc Eisenmann noch näher ausführte: „Auch auf Kirchheim sind Atomwaffen gerichtet. Deswegen dürfen auch wir gegen die Bedrohung durch Atomwaffen sein - wohlwissend, dass unsere Entscheidung nur ein symbolisches Zeichen setzen kann.“
So symbolisch das Zeichen auch sein mag, so konkret ist die tatsächliche Bedrohung. Daran erinnerte Gerd Mogler von der Christlichen Initiative Kirchheim (CIK): „Ich bin in Heilbronn aufgewachsen, und da hatten wir Pershings direkt um die Ecke.“ Er präzisierte die Passage des Appells, in der es um den vorsätzlichen oder versehentlichen Einsatz von Atomwaffen geht: „Mit Atomsprengköpfen können auch Unfälle passieren.“
Linken-Stadtrat Heinrich Brinker stellte fest: „Der Bundestag hat im März 2010 beschlossen, die Stationierung von Atomwaffen in Deutschland zu untersagen. Wir warten immer noch auf die Umsetzung dieses Beschlusses.“ Deswegen gehe es nun darum, durch die Unterzeichnung des ICAN-Appells ein Zeichen für einen Abrüstungsprozess zu setzen. Immerhin seien die Länder, die Atomwaffen besitzen, eine Minderheit.
Zu dieser Minderheit sagte Marc Eisenmann: „122 UN-Mitglieder haben dem Verbot von Kernwaffen 2017 zugestimmt - allerdings kein einziger Staat, der selbst über Atomwaffen verfügt.“ Deswegen ließ er es dahingestellt sein, ob der Kirchheimer Gemeinderat das Problem der atomaren Bedrohung lösen kann.
Letzteres war das Argument, mit dem sich andere Ratsmitglieder dagegen aussprachen, den Appell zu unterzeichnen. Wilfried Veeser (CDU) riet dazu, die Realität nicht zu vergessen: „Autokraten und Diktatoren haben teils die Atomsprengköpfe, teils gieren sie danach.“ Deswegen könnten Atomwaffen im Sinne der gegenseitigen Abschreckung durchaus sinnvoll sein: „Wir brauchen auch wehrhafte Demokratien, die verantwortlich mit ihrer militärischen Stärke und mit ihren Atomwaffen umgehen.“ Außerdem, bemerkte er, liege diese Angelegenheit nicht im Zuständigkeitsbereich des Gemeinderats.
Sein Fraktionskollege Thilo Rose verdeutlichte die Gefahr, die von einseitiger Abrüstung ausgeht: „Wenn nur ein einziges Land diesen Vertrag nicht unterschreibt, hätte es als einziges noch Atomwaffen. Dann erst gäbe es eine wirkliche Bedrohung. Deswegen brauchen wir auch in demokratischen Ländern Atomwaffen - ob wir das wollen oder nicht.“
Auch die Vorsitzende der FDP/KiBü-Fraktion, Renata Alt, sprach von der Utopie einer atomwaffenfreien Welt - „auch wenn es in unser aller Interesse wäre, eine solche Welt zu haben“. Solange Staaten wie Nordkorea, der Iran oder China atomar aufrüsten, sei Deutschland als NATO-Mitglied verpflichtet, die atomare Strategie des Bündnisses zu unterstützen.
„Auch wenn Kirchheim nicht die Welt rettet, halte ich den Appell für richtig“, sagte Oberbürgermeister Bader vor der Abstimmung. Sie endete mit 24 Ja-Stimmen, drei Gegenstimmen und zehn Enthaltungen. Andreas Volz