Vom Madrigal zum Gospel, von Liedern der Romantik bis hin zu Jazz und Soul: Stilistisch gibt es für den 1970 gegründeten „Sing Out Chor“ keine Grenzen. Diesmal hatte man das Konzert in der Kirchheimer Christuskirche unter das Motto „Pop und Polyphonie“ gestellt. Vordergründig scheint es ein Wagnis zu sein, das Programm ausschließlich mit zwei so gegensätzlichen Musikrichtungen zu bestücken. Doch das Experiment gelang: In der Gegenüberstellung mit aktuellen Popsongs zeigten die Chorsätze aus der Renaissance zwar klare Kontraste auf, doch diese Konfrontation machte auch deutlich, dass die heutige Unterhaltungsmusik ihre Wurzeln in der musikhistorisch überlieferten Tradition hat.
Fröhlich startete der „Sing Out Chor“ mit Hans Leo Hasslers Renaissancelied „Tanzen und Springen“, gefolgt vom opulenten Klang des aus der Zeit der englischen Reformation stammenden Lieds „If ye love me“ von Thomas Tallis. Hier, wie auch in „Con que la lavare“ von Juan Vasquez, zeigte der Chor beste A-cappella-Qualitäten: Ohne stützende Instrumentalbegleitung hielt man die heikle Intonation erstaunlich gut, und auch die Balance der Chorgruppen konnte überzeugen. Der Sing Out Chor stellte sich bestens präpariert vor – man merkte, dass in fundierter Probenarbeit sorgfältig am Klang gefeilt worden war.
Chorleiterin als „Glücksgriff“
Nach einer wechselvollen Geschichte, in der der Chor unter sehr unterschiedlichen Chorleiter-Typen vom allseits bekannten Gotthilf Fischer bis zu Bernd Reichenecker Höhen und Tiefen erlebt hat, scheint den Kirchheimer Choristen mit Maria Martinez Gabaldon ein Glücksgriff gelungen zu sein. Seit 2018 ist die in Spanien, England und Deutschland ausgebildete Musikerin musikalische Chefin des Chors.
Die Chemie stimmt: Gabaldon bringt, nach Aussagen von Sängerinnen und Sängern, mit ihrem spanischen Temperament in der Probenarbeit Anspruch und Spaß am musikalischen Tun zusammen. Diese Freude spürte man deutlich bei Liedern wie „Platzregen“, „O Magnum Mysterium“ oder dem schwelgerischen Liebeslied „Can You Feel the Love Tonight“ von Elton John. Dabei wurde klar, dass es Maria Martinez Gabaldon nicht reicht, wenn der Notentext fehlerfrei heruntergesungen wird. Ihre Latte liegt höher: Sie erwartet eine spannungsvolle Gestaltung der einzelnen Phrasen und dynamische Feinarbeit bis in die Nuancen hinein.
Geschmeidige Klangformung
Da die Chorleiterin zudem eine ausgebildete Sängerin ist, kann sie dem Chor in puncto Stimmbildung wesentliche Impulse geben. Dies wurde besonders deutlich bei der geschmeidigen Klangformung des Weihnachtslieds „Niño dios“ von Francisco Guerrero, und auch die vom Chor weich gesungene Melodie von Robbie Williams‘ „Angels“ profitierte durch vokale Präsenz.
Mit im Boot war Ella Flemmer, die bei den Klavierbegleitungen eine gute Figur abgab. Bestens gestützt von ihrer Tastenkunst wagte sich der Chor an ein Medley mit Ohrwürmern aus Musicals von Andrew Lloyd Webber. Die bekannten Songs aus Phantom der Oper, Cats, Evita und Jesus Christ Superstar überzeugten nicht nur in der vokalen Darstellung – unterstrichen wurde der musikalische Gehalt jeweils durch eine passende Körpersprache.
Als der Chor nach den kraftvollen Tönen von „Mattona mia cara“ und dem mit Inbrunst gesungenen Lied „Innsbruck ich muss dich lassen“ mit allseits bekannten Melodien der schwedischen Pop-Supergroup ABBA das Finale ansteuerte, erreichte die Begeisterung des Publikums einen Höhepunkt: Die mitreißende Performance des Sing Out Chors wurde heftig beklatscht. Für die Ovationen bedankte sich der Chor mit zwei Zugaben.