Nach langem pandemiebedingtem Warten fand die traditionelle Orgelnacht endlich eine Fortsetzung. Die „Königin der Instrumente“ hatte dieses Mal zwei Ensembles zu Gast, das aus Göppingen stammende Ensemble Vocal 16 und das Bläserquintett Lingeno. Allerdings konnte Kirchenmusikdirektor Thomas Specker, der Hausherr, Initiator und Organisator, wegen Krankheit nicht dabei sein. Seinen Part an der Orgel und am E-Piano übernahm der bekannte Organist, Dirigent und Sänger Paul Theis.
Das Konzept dieses außergewöhnlichen kirchenmusikalischen Ereignisses braucht eigentlich nicht mehr vorgestellt zu werden, ist es doch ein Erfolgskonzept, das auch dieses Jahr die Kirche bei beiden Konzerten vollständig füllte. Der Charme besteht darin, nicht nur die Göckel-Orgel mit ihren wunderbaren Farben und Einzelstimmen und ihrer orchestralen Klangfülle zu präsentieren, sondern auch Ensembles, die besondere Klangfarben in das Kirchenschiff senden und immer wieder mit der Orgel eine wunderbare Verbindung eingehen. Daneben gibt es jedes Mal aufs Neue auch eher unbekannte Komponisten zu entdecken. Die in der Pause angebotenen kulinarischen Kompositionen – kreativ, geschmacklich und optisch ansprechend – bilden zudem den passenden Rahmen für das musikalisch-kulinarische „Event“, organisiert durch die Mitglieder des Kirchenchores. Sie tragen damit seit Jahren zum besonderen Flair der Orgelnacht bei.
Den Auftakt bildete die Kombination „Orgel plus Chor“. Unter der Leitung von Kirchenmusikdirektor Thomas Gindele zeigte das Ensemble Vocal 16 aus Göppingen eine große stilistische Bandbreite auf sehr hohem chorischen Niveau. Der Bogen spannte sich von Kompositionen des Renaissancekomponisten Hans Leo Hassler bis zu Kompositionen der Neuzeit von Kim Andre Arnesen oder Bob Chilcott.
Saubere Intonation
Absolut bemerkenswert ist bei der Chorformation die Ausgewogenheit in den Registern sowie eine unangestrengte Tonproduktion, die eine saubere Intonation und eine breite dynamische Palette ermöglichen. So ist die Darstellung von Werken unterschiedlichster Epochen und verschiedenster Herausforderungen kein Problem für Vocal 16, eine signifikante Auswirkung der hervorragenden stimmbildnerischen Basisarbeit durch Thomas Gindele. Bestachen die Sängerinnen und Sänger bei Hassler durch eine deutlich „sprechende“ Vokalpolyphonie, ließen sie bei dem norwegischen Komponisten Arnesen oder dem Briten Bob Chilcott schöne Kantilenen erblühen und markierten klare Harmonien. Beeindruckend interpretiert wurden auch die zwei Chorwerke des jungen Komponisten Philip Stopford, „In my father’s house“ und „Jubilate“. Paul Theis war bei den rahmenden Chorstücken ein einfühlsamer und verlässlicher Begleiter am E-Piano. Die Klangmöglichkeiten und den Farbenreichtum der Orgel sowie seine Virtuosität konnte er besonders im „Scherzo“ von Marco Enrico Bossi und bei „Naiades“ (Wassernixen) von Louis Vierne zeigen. In diesem technisch anspruchsvollen Orgelwerk brachte Paul Theis die komponierten flirrenden und schillernden Klänge wunderbar zur Geltung. Der überwältigende Applaus wurde durch eine Zugabe belohnt.
Nach der Pause eröffnete das Quintett Lingeno mit der spritzig-schwungvollen Ouvertüre aus „Barbier von Sevilla“ die zweite musikalische Halbzeit. Hinter dem Namen Lingeno verbergen sich Instrumentalistinnen und Instrumentallehrerinnen und -lehrer aus Stuttgart, Esslingen und Kirchheim: Elisabeth Deinhard (Querflöte und Piccolo), Elke Karner-Funk (Oboe), Akiko Arakaki (Klarinette), Eduard Funk (Horn) und Mihoko Stock (Fagott).
In den folgenden Werken boten sich allen Instrumentalisten reichhaltige Gelegenheit, sich virtuos oder mit lyrischen Facetten zu präsentieren. Ein bestechender Zusammen- und Gesamtklang, der keine Farbe dominierend herausstechen ließ, war in allen Kompositionen präsent. Eine Entdeckung waren dabei die zwei Sätze aus dem Quintett in g-moll des französischen Flötisten und Komponisten Paul Taffanel. Faszinierend zu hören war die virtuose Beherrschung der Instrumente, denen allen gewaltige Herausforderungen abverlangt wurden. Ob aberwitzig schnelle Läufe, extreme Tonlagen, Akkuratesse im Zusammenspiel, dynamische Kontraste, Taktwechsel, komplexe Harmonien, alles wurde in einer musikalischen Perfektion musiziert, die die technischen Anforderungen vergessen ließ. Man hätte noch endlos zuhören können.
Paul Theis spielte dazwischen Orgelwerke von Da Bergamo, Guilmant und begleitete bei Mendelssohns Konzertstück Opus 113 als verlässlicher Partner auf Augenhöhe. Den fulminanten Abschluss bildete das Prelude Opus 7 von Marcel Dupré, dem langjährigen Organisten in Saint Sulpice in Paris.
Erst nach einer Zugabe wurden Organist und das Ensemble Lingeno vom begeisterten Publikum „entlassen“.