Kirchheim
Kirchheimer Paar liebt den „Friesenwork“: Danach sind wir komplett resettet

Workation Diana Bothe und Gerd Mogler verbinden schon seit Jahren einen Monat im Jahr Urlaub und Arbeit. Von Irene Strifler

Kirchheim. Bald ist es so weit: Diana Bothe und Gerd Mogler packen. Ihr Ziel ist die Nordsee. Der Kombi wird wieder aus allen Nähten platzen. Doch bis unters Dach des Fahrzeugs türmen sich keineswegs Schlauchboot, Hängematte und Campinggeschirr. Es handelt sich vielmehr um Drucker, Laptops und Aktenordner. – Das Kirchheimer Paar fährt nicht in Urlaub, sondern zum „Friesenwork“.

Den Begriff haben die beiden vor mehreren Jahren erfunden, und längst gehört er zu ihrem festen Sprachgebrauch. Es ist ihre ureigenste Beschreibung für etwas, das durch Corona an Fahrt gewonnen hat und jetzt „Workation“ heißt, also die Verbindung von Work und Vacation. „Wir machen keinen Urlaub“, erklärt Diana Bothe und gibt zu: „Aber trotzdem fühlt sich das Ganze ein bisschen wie Urlaub an.“

Die Tage im beschaulichen Tating auf der Halbinsel Eiderstedt laufen weitgehend ähnlich ab wie zu Hause. Die Steuerexpertin und der IT-ler in einer Buchhandelsgruppe arbeiten am PC, teils durch Telefonate und Videokonferenzen unterbrochen. „Ich kann mich dort hervorragend konzentrieren und vieles wegschaffen, was monatelang liegen geblieben ist“, schwärmt Diana Bothe. Den Kontakt zu ihren Klienten hält sie dank Videotelefonie problemlos. Gerd Mogler bricht notfalls mal aus Nordfriesland auf zu einem Meeting in Hamburg oder Berlin.

Was beide lieben: Ist die Arbeit getan, beginnt der Urlaub, quasi nahtlos, täglich und vier Wochen am Stück. Mit dem Rad geht’s vor an die Küste, beide genießen den Sonnenuntergang oder spazieren barfuß durch den Sand. „Wir arbeiten keinen Deut weniger als zu Hause, fühlen uns aber schon in Kürze total erfrischt“, erzählt Gerd Mogler und räumt ein, dass ihn seine Frau erst mal von der Idee überzeugen musste, mit Sack und Pack für einen Monat auszuwandern. „Geht doch gar nicht“, hatte er zunächst eingewandt.

„Ich würde mir wünschen, dass dies noch mehr Menschen ver­suchen“, meint Diana Bothe. Das ­Homeoffice habe jetzt gezeigt, was alles fern vom Arbeitsplatz möglich ist. Dass ein Tapetenwechsel im Arbeitsumfeld belebt, darüber ist sich das Paar einig. Beide sind zu Hause nicht nur im Beruf, sondern auch in Ehrenämtern stark eingespannt. „Man erlebt so eine Zeit als Paar sehr intensiv, weil das gewohnte Umfeld fehlt und man deshalb mehr miteinander kommuniziert“, sieht Bothe weitere Pluspunkte. Als gebürtige Norddeutsche fühlt sie sich dem Meer sehr verbunden: „Ich liebe Kirchheim wirklich sehr, aber manchmal wird mir hier alles zu eng, ich brauche dann die Weite und das Gefühl der Endlosigkeit.“

Die anfängliche Angst, sich womöglich bei so viel Zweisamkeit auf den Keks zu gehen, hat sich nicht erfüllt. Das liegt vielleicht an der heiteren Urlaubsstimmung, die sich schon auf der Fahrt gen Norden breitmacht. Gerd Mogler kann es kaum erwarten, die Stammläden und -lokale, in denen die beiden jeden Sommer verkehren, wieder zu sehen: „Das ist ein bisschen wie heimkommen“, beschreibt er das Gefühl, wenn er von den Nachbarn auf Zeit begrüßt wird und die Bäckersfrau noch im Kopf hat, welche Brötchen bei ihm hoch im Kurs stehen.

Die Vorfreude ist den beiden schon anzumerken, wenn’s bald wieder ans Packen geht und das Ziel die Nordsee ist.

 

Workation-Tipps für Nachahmer

„Einfach mal ausprobieren“, machen Diana Bothe und Gerd Mogler allen Mut, die mal ein paar Wochen Workation planen. Die erfahrenen Friesenworker haben konkrete Tipps für Einsteiger.
Das erste Mal gut geplant angehen: Die beiden Kirchheimer haben einen ganzen Urlaub genutzt, um Ferienhäuser anzuschauen, und sich schließlich in eines verliebt, das sie seither stets buchen. Wichtig: WLAN checken!
Nicht am Platz sparen: Bothe und Mogler legen beide Wert auf einen eigenen Schreibtisch in einem extra Zimmer. Außerdem steht ein Gäste­zimmer zur Verfügung, wenn mal jemand aus der Heimat vorbeischaut.
Workation kostet Geld: Vor allem wer in Deutschland an einem fremden Ort arbeitet, dem muss das die üb­liche Summe für ein gut ausgestattetes Haus oder ein Hotel wert sein.
Selbstdisziplin ist das A und O: Nach Feierabend und am Wochen­ende ist der Urlaub meist nur ein paar Schritte entfernt. Dennoch besteht der Alltag wie zu Hause aus Arbeit, da darf man sich nicht von der strahlenden Sonne ablenken lassen.
Die Dauer der Workation will gut überlegt sein, denn man ist aus dem Alltag samt Hobbys und Ehrenämtern komplett ausgeklinkt. – Vier Wochen reichen zum Einstieg allemal. ist