Die Auswirkungen der Corona-Pandemie sind bis in die eigenen vier Wände zu spüren. Die berufliche Existenz ist in Gefahr, die Enge zu Hause, wenn die Kinder nicht mehr in die Schule dürfen, die Anforderungen des Home-Schoolings und die ungewisse Zukunft - all das sorgt für Stress. Doch nimmt deswegen auch die häuslichen Gewalt zu? Nicht unbedingt, finden Susanne Lorch und Renate Dopatka vom Verein „Frauen helfen Frauen“. Ein Anstieg von häuslicher Gewalt in Corona-Zeiten können beide nicht bestätigen. „Aber partnerschaftliche, häusliche Gewalt ist grundsätzlich schrecklich und die Zahlen immer zu hoch“, betont Renate Dopatka anlässlich des Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt an Frauen am 25. November. Was die häusliche Enge der letzten Wochen allerdings möglicherweise verhindert hat, war, dass die Frauen zum Telefon greifen und sich bei einer Beratungsstelle melden konnten. Aus dem Bereich Kirchheim und Nürtingen fanden bislang in diesem Jahr bei „Frauen helfen Frauen“ 30 Beratungen nach Polizeieinsatz sowie 36 allgemeine Beratungen statt.
Zu Gewalt gehören laut Renate Dopatka Handlungen wie verbale Androhungen, Beleidigungen, Einschüchterung, Kontrolle in verschiedenen Bereichen, Isolation und eben körperliche Gewalt, die schon bei Schubsen beginnt. Das Bundesfamilienministerium hat im November 2018 aktuelle Zahlen zum Thema häusliche Gewalt vorgestellt: Alle fünf Minuten wird in Deutschland eine Frau misshandelt, gestalkt oder bedroht, 2019 wurden bundesweit 141 792 Fälle häuslicher Gewalt gemeldet, 114 903 der Opfer waren Frauen, 26 889 Männer.
Wenn ein Fall von körperlicher Gewalt von der Polizei aufgenommen wurde, kommen umgehend die Sozialpädagoginnen von „Frauen helfen Frauen“ ins Spiel, wenn das Opfer - vorrangig sind dies Frauen - diese Hilfe auch in Anspruch nehmen möchte. „Wir kontaktieren dann das Opfer und suchen es auf. Außerdem wird das Jugendamt informiert, wenn Kinder involviert sind.“ Auch die psychologische Beratungsstelle wird eingeschaltet. Hat die Polizei gegen den Täter einen Wohnungsverweis ausgesprochen, kann das Opfer beim Ordnungsamt eine Verlängerung des Verweises beantragen. „Maximal zweimal 14 Tage,“ erläutert Susanne Lorch. So spürt der Täter, dass Schritte eingeleitet wurden und eine Intervention von öffentlicher Hand stattfindet.
Vorrangig geht es jedoch darum, dass das Opfer zur Ruhe kommt und sich wieder sicher fühlt. Für manche von Gewalt betroffenen Frauen bedeutet dies allerdings, dass sie keine andere Möglichkeit sehen, als - oftmals zusammen mit ihren Kindern - das eigene Zuhause aufzugeben und Schutz im Frauenhaus suchen. „Dieser Schritt erfordert viel Mut und reifliche Überlegung“, sagt Renate Dopatka. Die zwölf Betten im Kirchheimer Frauenhaus sind durchgängig belegt, etwa ein halbes Jahr kann man dort leben. Danach fängt die Suche nach bezahlbarem Wohnraum an - und stellt oft die nächste Hürde für die Frauen dar.