Wirtschaft
Kirchheims Handel trotzt Online und Co.

Ihre „intakte Innenstadt“ sorgt für stabile Umsätze. Michael Kneile vom City Ring wünscht sich mehr Grün, Sitzmöglichkeiten und hat eine Idee für die ehemalige Fielmann-Filiale. 

"Intakte Innenstadt": Die IHK lobt die Einkaufsqualität in Kirchheim, die sich auch an den Umsätzen bemerkbar macht. Foto: Carsten Riedl

Die Kaufzurückhaltung der Kundinnen und Kunden beschäftigt nach wie vor den Einzelhandel in der Region Stuttgart und im Landkreis Esslingen. „Trotz überdurchschnittlicher Kaufkraft im Landkreis bleibt die Situation für viele Händler kritisch und hat sich gegenüber der letzten Untersuchung weiter verschärft“, meint Heike Kauderer, Präsidentin der IHK-Bezirkskammer Esslingen-Nürtingen. Eine „Bank“ bleibt aber Kirchheim. Die Teckstadt belegt wie schon in früheren Untersuchungen einen Spitzenplatz. „Auf kommunaler Ebene punktet Kirchheim unter Teck beim stationären Einzelhandelsumsatz mit ihrer intakten Innenstadt. Über 356 Millionen Euro wandern hier über die Ladentheken.
 

„Wir dürfen uns nicht darauf ausruhen, sondern müssen weiter eng zusammenarbeiten.

Michael Kneile, Vorsitzender der Kircheimer Händlergemeinschaft City Ring

 

Pro Kopf entspricht dies rund 8455 Euro. Damit kommt der Löwenanteil des Einzelhandelsumsatzes bei den innerstädtischen, örtlichen Händlern an“, heißt es in dem Bericht. Zwar habe Neckartenzlingen mit 8803 Euro einen höheren Pro-Kopf-Einzelhandelsumsatz, allerdings sind dafür großflächige „Einzelhandelsbetriebe“ außerhalb des Zentrums verantwortlich.

Bei der Stadt Kirchheim ist die Freude groß. „Wir freuen uns sehr darüber, dass wir erneut die höchste Zentralitätskennziffer mit einem Wert von 119,4 im Landkreis Esslingen haben. Dieses Ergebnis verdankt die Stadt nicht nur ihrer attraktiven Innenstadt, sondern ist auch auf die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Einzelhändlern und Stadtverwaltung zurückzuführen. Die vielfältigen Veranstaltungen wie das Public Viewing während der Fußball-Europameisterschaft und der Kirchheimer Sommer ziehen viele Besucher an und beleben die Stadt. Darüber hinaus fördert die Stadtverwaltung Existenzgründungen und unterstützt Eigentümer bei der Vermittlung von Leerständen. Die Kombination aus einem attraktiven Veranstaltungsangebot, der engen Zusammenarbeit mit den örtlichen Akteuren und der Förderung neuer Ideen trägt maßgeblich zur Attraktivität von Kirchheim bei“, teilt die Verwaltung auf Anfrage mit.

 

Parken versus Feiern

Die Kirchheimer Einzelhändler freuen sich naturgemäß ebenfalls über das Ergebnis, mahnen aber auch rechtzeitig Maßnahmen an, um das Niveau zu halten. „Sitzgelegenheiten und mehr Grün“, wünscht sich etwa Michael Kneile, seit Juni Erster Vorsitzender der Kirchheimer Einzelhändlergemeinschaft City Ring. Er lobt dabei die Entwicklung der Dettinger Straße, wo derartige Maßnahmen bereits viel gebracht hätten.

Ein Problem seien die fehlenden Parkmöglichkeiten. „Vor allem bei Veranstaltungen ist es für uns schwierig, wenn der Rossmarkt gesperrt ist“, sagt Kneile, der in der Marktstraße das Tabakhaus Schall führt. Dies sei etwa jüngst bei der Musiknacht der Fall gewesen. „Wenn dann schon am Freitagmittag gesperrt ist, ist das schwierig“, sagt er. Denn gerade Freitag und Samstag seien die umsatzstärksten Tage.

 

Mischbelegung nicht erwünscht

Das Thema Leerstände beschäftigt auch die Kirchheimer Einzelhändler, wie etwa das große Gebäude, in dem früher eine Fielmann-Filiale war, die wiederum ein Haus weitergezogen ist, wo vorher das Reno-Schuhgeschäft der Mieter war. „Da weiß ich, dass der Preis schon gesenkt wurde. Aber aktuell ist es einfach schwierig, Leute zu bewegen, in den Einzelhandel zu investieren.“

Seine Hoffnung: dass es keine weitere Filiale einer Kette gibt, kein Nagelstudio oder Automatenshop. Davon haben wir wirklich genug.“ Auch eine Mischbelegung mit Wohnungen im Erdgeschoss fände er nicht gut. „Unten sollte ein Ladengeschäft rein, das wäre wichtig.“ Damit es nicht noch ein weiteres Café wird, hätte er eine andere Idee. „Eine Tapas-Bar, das wäre doch mal was.“ 

Das Ergebnis des IHK-Berichts freue ihn, aber: „Wir dürfen uns nicht darauf ausruhen und müssen bei Aktionen weiter eng zusammenarbeiten, auch diejenigen, die nicht Mitglieder im City Ring sind“, fügt er hinzu. Die nächste Aktion ist für den 5. September angesagt: Late-Night Shopping. „Und dann folgen schon kurz drauf die Goldenen Oktobertage.“ 

 

Die Kennzahlen im Überblick

Bei den stationären Einzelhändlern im Landkreis Esslingen kommen von den insgesamt rund 4,4 Milliarden Euro etwa drei Milliarden Euro an Umsatz an. Pro Einwohner entspricht das 5608 Euro. Damit liegt der Landkreis deutlich unter dem Durchschnitt der Region Stuttgart, Baden-Württembergs sowie Deutschlands. In der Region bildet bei diesem Merkmal der Landkreis das Schlusslicht.

Kirchheim punktet auf kommunaler Ebene beim stationären Einzelhandelsumsatz mit ihrer intakten Innenstadt und setzt damit einen Lichtblick. Über 356 Millionen Euro wandern hier jährlich über die Ladentheken. Pro Kopf entspricht dies rund 8455 Euro. Damit kommt der Löwenanteil des Einzelhandelsumsatzes bei den innerstädtischen, örtlichen Händlern an. Zwar hat die Gemeinde Neckartenzlingen mit einem Pro-Kopf-Einzelhandelsumsatz von 8803 Euro rein numerisch die Nase vorn. Hier zeichnen jedoch vor allem großflächige Einzelhandelsbetriebe, die allesamt nicht in der Innenstadt, sondern außerhalb in Gewerbegebieten liegen, verantwortlich.

Wenn die Kaufkraft der ansässigen Bevölkerung berücksichtigt, ergibt sich die sogenannte Zentralitätskennziffer. Wie beim Pro-Kopf-Umsatz bleibt Kirchheim mit einer Kennziffer von 119,4 bei den Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern das Maß aller Dinge im Landkreis Esslingen. Zum Vergleich: Nürtingen hat 94,1, Esslingen kommt auf einen Wert von 91,6. Statis­tisch würde eine Kommune mindestens eine Zentralitätskennziffer von 114 benötigen, damit der Vor-Ort-Handel den Kaufkraftanteil des Onlinehandels kompensieren kann. pm/zap