Kirchheim
Kirchheims Radwegenetz ist noch ausbaufähig

Mobilität Für Radfahrer ist in Kirchheim einiges verbessert worden. Aber es ist noch viel Luft nach oben – und zur Seite. Eine Rundfahrt mit Dieter Hutt und Bernd Cremer zeigt Stärken und Schwächen im Netz. Von Peter Dietrich

Gerne nehmen sich Dieter Hutt, Sprecher der Initiative Fahrrad, und Bernd Cremer vom ADFC Kirchheim, drei Stunden Zeit, um für den Teckboten einige Stärken und Schwächen des Kirchheimer Radnetzes zu erkunden. Erste Station ist Ötlingen. Die neuen Schutzstreifen sind eine klare Verbesserung, auch wenn sie etwas breiter sein dürften. Nach den noch immer gültigen Empfehlungen für Radverkehrsanlagen aus dem Jahr 2010 muss ein Schutzstreifen mindestens 1,25 Meter breit sein. Derzeit würden die Empfehlungen überarbeitet, sagt Dieter Hutt, in der Empfehlung für 2024 solle ein Mindestmaß von 1,50 Meter gelten.

Aus der Herdfeldstraße kommende Radfahrer, die ins Zentrum wollten, mussten früher schieben. Die neu geschaffene Markierung, auf der die begeisterten Radfahrer Bernd Cremer (vorne) und Dieter Hutt unterwegs sind, ist eine klare Verbesserung, auch die Absenkung des Bordsteins wurde nicht vergessen. Fotos: Peter Dietrich

Hutt und Cremer bemängeln die Parkplätze in der Stuttgarter Straße. Sie verengen zwar optisch die Fahrbahn, was gewollt ist, damit sich die Autofahrer an Tempo 30 halten. Eine Geschwindigkeit, die Radfahrern sehr entgegenkommt und ihre Sicherheit erhöht. Doch die Parkplätze zwingen die Radfahrer auch nach innen in Richtung Fahrbahnmitte. Der Sicherheitsabstand nach rechts zu den parkenden Autos liegt gerade einmal bei einem halben Meter, sich plötzlich öffnende Türen bleiben gefährlich. In der Empfehlung 2024 soll der Mindestabstand auf 0,75 Meter steigen. Unsicher wird der Radfahrer, wenn die Parkplätze gar nicht belegt sind: Soll er trotzdem der Markierung folgend, nach innen schwenken? Er könnte ja auch geradeaus fahren, und Autofahrer könnten erwarten, dass er das tut. Die Stadtverwaltung habe das Problem erkannt, sagt Hutt, deshalb würden zu Beginn der Parkplätze, wo möglich, kleine Grünflächen angelegt. Dann sei für Radler und Autofahrer klar, wie der Fahrweg verläuft.

Pfosten auf der Radspur

Die Stuttgarter Straße ist nur etwas für direkte Radler, die alternative Genussroute führt südlich der Bahnlinie entlang und endet am Kirchheimer Bahnhof. Dieser Geheimtipp, sagen die beiden Radexperten, solle aufgewertet werden. Gegen die Stuttgarter Straße spricht auch deren weiterer, noch unsanierter Verlauf in die Stadtmitte. Dort teilen sich Fußgänger und Radfahrer den Gehweg, dort stehen auch schon mal zwei Pfosten mitten auf der Radspur. Die beiden Radler plädieren dafür, bei der geplanten Sanierung den Gehweg etwas zu verschmälern. Die Fußgänger haben ihn dann ja alleine für sich, wenn die Radler auf dem neuen Schutzstreifen unterwegs sind. Parkplätze dürften aber keine auf der Stuttgarter Straße eingerichtet werden. „Das wäre Wahnsinn“, sagt Dieter Hutt.

Schutzstreifen in Ötlingen - reihen sich die Autos korrekt ein, kann ein Radfahrer direkt vor zur Ampel fahren - die Beobachtung zeigt, dass die Autofahrer sich meistens am Fahrzeug vor ihnen orientieren: steht das erste Auto an der Ampel korrekt, folgen die anderen, steht das erste Auto zu weit rechts, tun dies meist auch die anderen und blockieren den Schutzstreifen

Will das Nanz-Center keine Radfahrer als Kunden? Wohl doch, es gibt für sie tatsächlich Abstellplätze. Aber auf der Parkplatzseite sind sie sehr schwer zu erreichen. Auf der Straße gibt es für Radler ein Verbotsschild, der parallele Gehweg ist schmal und nur für Fußgänger gedacht. Vor dem Nanz-Center erfordert die Ausfädelung des Radfahrers auf den Postplatz viel Mut, der Radler muss auf der markierten Abbiegespur geradeaus fahren. Das geht zwar ohne Gefahr, trotzdem gehört die Straßenfläche an dieser Stelle dringend neu geordnet. Die Radwegweiser auf dem Postplatz stehen an der falschen Stelle: Wo bitte geht es nach Wendlingen?

Lob für Bügel

Rund um die Stadtbücherei parken viele Räder, vor kurzem wurden hinter der Stadtbücherei zusätzliche Bügel aufgestellt. Sie sind etwas versteckt, haben aber ein Lob verdient. Das gilt auch für die neu geschaffene Ausfädelung der Radler, die aus der Herdfeldstraße kommend in die Fußgängerzone wollen. Früher mussten sie schieben, nun können sie fahren. Ebenfalls positiv: Der Innenring für Radfahrer, innerhalb des Alleenrings, wurde nun endlich geschlossen, die Fahrt am Alten Wachthaus links ist nun legal und beschildert. Dass die Dettinger Straße zur dauerhaften Fußgängerzone wurde, ist auch für den – hoffentlich rücksichtsvollen – Radler ein Gewinn. Die Straße endet am großen Sorgenkind, dem Gaiserplatz. Die Weiterfahrt in Richtung Dettingen ist für den Radfahrer schwierig, es fehlt ein attraktives Angebot, wie es etwa in Richtung Jesingen am Schlossgymnasium vorbei besteht. Wer von Dettingen kommt, soll als Radler für wenige Hundert Meter die Hauptstraße überqueren – um dann am Bahnübergang in Richtung Bahnhof und Ludwig-Uhland-Gymnasium wieder zurück zu wechseln. „Viele Schüler machen das nicht“, hat Bernd Cremer beobachtet.

Die Rundfahrt endet am Südbahnhof: Dort könnte einmal eine attraktive Radroute von Dettingen in Richtung Gaiserplatz vorbeiführen. Nötig wäre dafür allerdings eine Unterquerung, Überquerung oder ebenerdige Kreuzung des Bahngleises. Dass dies nach aktuellem Stand nur ein ferner Wunschtraum ist, ist den beiden Radexperten sehr wohl bewusst.