Thomas Roth quittierte die recht überschaubare Zuschauerzahl mit einem Augenzwinkern: „Da haben wir ja Glück, dass wenigstens ein paar Freunde da sind.“
Gleich vorneweg - die Ferngebliebenen haben ein bemerkenswertes Konzert von „Roth - Keyfiddle Journey“ verpasst, mit einer schwedischen „Königin“ unter den Instrumenten - eine Nyckelharpa, die jeden Spielmann dazu auffordert, sie zu verändern und daraus etwas Ureigenes zu entwickeln. Was für eine faszinierende und vielseitige Klangfülle, wenn einer der weltbesten Virtuosen auf der Keyfiddle - wie sie noch genannt wird - mit seinen dichten Harmonien ein Dutzend Resonanzsaiten zum Schwingen bringt.
Mitgebracht hat er Traditionals und viele seiner Eigenkompostionen, unter anderem von seinem Album „Ingredients“. Begleitet wird Thomas Roth bei seiner stilistischen Reise um die Welt von drei großartigen Musikern, die das kuschlige „Wohnzimmerkonzert“ so richtig rund machen. Harald Scharpfenecker, von dem „So Close“ stammt und der jedes Stück gekonnt auf seiner Akustik-Gitarre begleitet, der nur vordergründig schüchterne Bassist Frank Bittermann, der unter seiner tief in die Stirn gezogenen Basecap für satten Sound sorgt und „der Huber Flo aus Übersee“. Der ist ein spontaner Bajuware, eigens mit seinem Polo vom Chiemsee angereist, und er beweist nicht nur Rhythmus an Schlagzeug und Fußtrommel, sonder streut mit seiner Tenorstimme hin und wieder Choralklänge als sakrale Zwischeneinlagen ein. Fein nuanciert und reduziert, richtig schön.
Beobachten die Besucher gerade nicht die Technik von Thomas Roths unfassbar schnellem Saiten- und Tastenspiel, lauschen sie seinen humorigen Erzählungen direkt aus dem Bauch heraus. Pause braucht das talentierte Quartett nur zum Nase schnäuzen, Wasser trinken oder Bierchen zischen. In Erinnerungen schwelgend, berichtet Thomas Roth von den wahren Erlebnissen mit seinen auf der ganzen Welt verstreuten Freunden, lässt das Publikum mit deren Musik an anderen Kulturen teilhaben.
Jeweils speziell für die Nyckelharpa arrangiert, spielt er „Puna Runa“ seines peruanischen Kollegen Javico Rodriguez oder „Seasick Sailor“ und „Welsh Air“, die beide atmosphärischen Folksongs stammen von der befreundeten walisischen Band „Allan Yn Y Fan“. Zwischendurch erklärt der Spielmann den Inhalt seiner Lieder ohne Worte - darunter auch viel Persönliches. Fast ein wenig „hymnisch“ klingt die Hommage an die Stadt seiner Kindheit, „München“, geprägt von Schickeria und Hektik oder bodenständiger bayrischer Gemütlichkeit, ein flotter Klangcocktail bis hin zur Erkennungsmelodie des Verkehrsfunks Bayern 3. Dann hält der Ausnahmemusiker im Gassenhauer „Expecting good friends“ die Verspätung seines Besuchs aus Amerika fest, zitiert beim Stück „Sempre Avanti“ die italienische Nationalhymne, wechselt für die „Ballata per Lilliana“ auf eine etwas weicher klingende Harpa, befreit sich bei „Liberacion“ und spannt den Bogen sogar kurz in die Klassik zu Bachs Air und „Sarabande“ frei nach Händel.
Je nach Stück und Spielweise klingt die Nyckelharpa melancholisch-sanftmütig oder dynamisch-kräftig. Doch wenn ihr obertonreicher Schall raumfüllend durch das Gemäuer der Bastion wabert, dann ergibt sich immer ein echter Chorus-Effekt. Die logische Reaktion des beseelten Publikums - Zugaben. Die liefert Thomas Roth ausführlich mit „Ronde 9“, einer Reminiszenz an die „Geyers“ und greift dazu zur „Gaita“. Was ist denn das schon wieder? Na, eine spanische Sackpfeife, was sonst.