Gemütlich dicht an dicht in der Kneipe sitzen, während draußen der Wind das Laub durch die Straßen treibt - was für ein abwegiger Gedanke. Im ersten Herbst der Pandemie bleibt Abstand halten Pflicht, und deshalb fühlen sich die meisten Gäste im Biergarten deutlich sicherer als im Restaurant selbst - obwohl die Innenräume nur zur Hälfte bestuhlt sind. Die Gastronomie weiß das und blickt mit Sorge auf die kalte Jahreszeit. Der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) hat deshalb gefordert, die Außensaison, auch mithilfe ökologisch umstrittener Heizgeräte, zu verlängern.
In Baden-Württemberg sind so genannte „Heizpilze“ in manchen Städten aus Klimaschutzgründen verboten, unter anderem in Tübingen und Stuttgart. Aus Teilen der Politik, sowohl der Landespolitik als auch auf kommunaler Ebene, kommt allerdings der Ruf, sie ausnahmsweise zuzulassen. „Ein Gastronomiesterben muss unbedingt verhindert werden“, schreiben die SPD-Mitglieder Andreas Kenner, Michael Medla, Michael Beck, Marc Eisenmann und Tonja Brinks in einer Pressemitteilung. Dafür gelte es in diesem Winter Zelte, Pavillons, Hütten und eben auch Heizstrahler zu genehmigen. „Gut wäre es natürlich, wenn sie mit Ökostrom betrieben würden“, heißt es darin weiter.
Selbst Andreas Schwarz, der als Grüner eigentlich prinzipiell gegen energiefressende Heizstrahler ist, sagt, er könne in diesem Jahr mit einer Ausnahme leben. Der Landtagsabgeordnete plädiert jedoch für Heiztechniken mit einem möglichst geringen Energieverbrauch. Denn die Klimakrise mache bekanntlich keine Coronapause. „Zu denken wäre beispielsweise an Biogas“, sagt Schwarz. Auf jeden Fall solle die Außengastronomie - unter Verwendung von schönen Außenzelten, Pavillons oder Lauben - im öffentlichen Raum verlängert werden.
Darüber denkt auch die Stadt Kirchheim nach, der viele jener Flächen gehören, die die Gastromen zur Außenbewirtung nutzen. „In einer Sondersituation wie in diesem Jahr wollen wir den Gastronomen eine längere Bestuhlung ermöglichen“, sagt Sprecher Robert Berndt. Wenn Gastronomen ihre Gäste länger als üblich - also bis zirka Anfang November - draußen bewirten wollen, bezahlen sie dafür extra Gebühren. „Es wird in einer der nächsten Gemeinderatssitzung darüber beraten, ob wir eventuell Sondernutzungsgebühren erlassen oder sie weiter vergünstigen“, sagt Robert Berndt. „Heizpilze“ seien in Kirchheim nicht verboten, „eine Begrenzung der Anzahl ist nicht angedacht“.
Im Biergarten des Teckkellers, der im kommenden Winter ausnahmsweise geöffnet bleibt, werden zwei „Heizpilze“ zum Einsatz kommen. „Die haben wir schon immer, und natürlich versuchen wir, jedes Plätzchen auszunutzen“, sagt Inhaber Udo Kälberer. Mehr Heizstrahler anschaffen will er jedoch nicht - aus ökologischen und finanziellen Gründen. „Wenn ich so einen Heizstrahler zwei Tage laufen lasse, ist die Gasflasche leer. Eine kostet 23 Euro“, gibt er zu bedenken. Das müsse man erstmal wieder reinholen.
Kälberer und sein Team haben sich schon viele Gedanken darüber gemacht, wie sie ihre Gäste im kommenden Herbst und Winter „erwärmen“ können. Gulaschsuppe und Gaisburger Marsch heizen von innen auf, selbst mitgebrachte Decken halten von außen warm. „Wir haben zwar eigene Decken, aber die müssten wir nach jedem Gast waschen“, sagt Kälberer. An manchen Abenden will er Feuerfässer aufstellen. „In denen können wir dann gleich die Dokumentationszettel verbrennen, die wir nicht mehr aufbewahren müssen“, sagt er lachend. In Anklang an den Kultursommer der Stadt Kirchheim plant er einen „Kultur-Winter“, mit Live-Musik und Feuershow. „Uns ist nicht bang vor dem Winter“, gibt Kälberer sich optimistisch. Und das, obwohl er nur zwei „Heizpilze“ in petto hat.