Kirchheim
Klimaschutz beginnt im Kleiderschrank

Interview Mode kann schick und gleichzeitig nachhaltig sein. In Zeiten von „Fridays for Future“ gibt die Kirchheimer Modedesignerin Birgit Sienz Tipps für einen fairen Einkaufsbummel. Von Irene Strifler

Mode und Klimawandel, gibt es da einen Zusammenhang? Ja, denn die Herstellung von Mode verbraucht viele Ressourcen und die Konsumgewohnheiten der modernen Welt haben aus Mode Wegwerfprodukte gemacht. Auf Modemessen spielt das Thema Nachhaltigkeit eine wachsende Rolle.

Mode und Nachhaltigkeit - ist das nicht ein Widerspruch in sich?

Birgit Sienz: Überhaupt nicht! Natürlich bedeutet Mode Wandel, und selbstverständlich gibt es in der Mode Trends. Ein Micro-Trend, mit dem es gleich wieder vorbei sein kann, ist in dieser Saison die Farbe gelb oder Leopardenmuster. Allerdings sind heute Trends weniger wichtig, zunehmend gilt „Anything goes“. Es gibt Menschen, die ihren persönlichen Stil kultivieren. Entscheidender sind die Megatrends wie der Fitnesstrend oder der Trend zu gesunder Ernährung und eben der Wunsch nach Nachhaltigkeit, auch in der Mode. Ein Macro-Trend ist die sogenannte „Slow fashion“. Ihre Anfänge reichen bis in die 80er-Jahre zurück, als plötzlich teure „Designermode“ mit ästhetischer Nachhaltigkeit aufkam. Die meisten Stücke waren außer Reichweite für jeden Normalbürger. Ich selbst habe mir damals eine Jeans für sage und schreibe 139 Deutsche Mark gekauft - und diese ewig und sehr bewusst getragen. Heute dagegen geben wir relativ betrachtet viel weniger für Mode aus als noch vor einer Generation.

Wie kam‘s zu diesem Preisverfall?

Sienz: Angefangen hat alles mit sogenannten „vertikalen Labeln“ wie H&M oder Zara, die selbst designen, produzieren und verkaufen. Diese Bündelung aller Arbeitsschritte ließ Zwischenhändler plötzlich außen vor. Außerdem kam die Idee auf, nicht nur zu jeder Saison neue Programme aufzulegen, sondern monatlich oder gar vierzehntägig - zu immer günstigeren Preisen und schlechterer Qualität. Die Durchschnittspreise fielen in den vergangenen Jahrzehnten. Das bedeutet, dass bei steigenden Mieten, Energie- und Rohstoffkosten immer mehr am Produkt und an den Lohnkosten gespart wurde. Der gesamte Markt geriet in Zugzwang. Es gibt Menschen, die T-Shirts nicht mehr waschen, sondern nach einmaligem Tragen wegwerfen, weil sie so billig sind. Das DRK hat im vergangenen Jahr Alarm geschlagen, weil sich die Textilspenden verdoppelt haben und alle Lager voll waren. Durch den Import dieser Waren werden auch oft lokale Arbeitsplätze in Afrika zerstört.

Was bedeutet überhaupt Nachhaltigkeit in der Mode?

Nachhaltigkeit hat viele Aspekte. In der Herstellung bedeutet es, dass jeder in der Produktionskette von seiner Arbeit leben können sollte. Projekte, die auf Wohltätigkeit und Volonteers-Einsatz beruhen, sind nicht der richtige Ansatz. Manches Sigel täuscht, denn in Bangladesh kann man nicht von den Mini-Summen leben, die als Mindestlohn vereinbart wurden. Leben können heißt, dass die Familie wohnen und essen kann, und die Kinder dürfen zur Schule. Darüber hinaus ist nachhaltige Mode hochwertig und trendgemäß.

Und die Materialien?

Auch hier ist das Ziel, den Ressourcenverbrauch zu minimieren. Ein Riesenproblem sind die Jeans, die wir alle im Schrank haben. Etliche Chemikalien kommen bei der Herstellung zum Einsatz, die konventionelle Baumwolle ist häufig genmanipuliert, und die Arbeitsbedingungen sind oft schlichtweg katastrophal. Es geht aber auch anders. Es gibt zum Beispiel eine Schweizer Firma, die ganz auf Biobaumwolle setzt. Sie hat Verträge mit Bauern in Indien oder Tansania und gibt auch Abnahmegarantien bei schlechter Ernte.

Was kann der Einzelne tun, dass Mode nachhaltiger wird?

Wir können mit unserer Kaufentscheidung maßgeblich dazu beitragen, dass die fair produzierenden Marken unterstützt werden. Jedes Teil hat ein Etikett, an dem sich die Herkunft und Produktion nachverfolgen lässt. Kunden beeinflussen auch die Firmenpolitik durch Nachhaken. Im Kindermodenbereich, bei Unterwäsche und vor allem im Sportsektor ist man schon viel weiter. Viele Marken wie Maloja, Mammut, Patagonia oder Elkline produzieren fair und biologisch. Das liegt daran, dass überzeugte Sportler, zum Beispiel Bergsteiger, bewusster mit und in der Natur leben - und oft auch gebildeter und finanzkräftiger sind. Aber auch andere in Deutschland bekannte Modemarken wie Gerry Weber oder Armed Angels bieten Produkte aus Bio-Baumwolle an.

Sich nachhaltig zu kleiden, ist also teurer.

Nur auf den allerersten Blick. Langfristig ist es wirklich günstiger, etwas teurer einzukaufen. Die Stücke sind einfach wertbeständiger. Wir müssen weg von der Wegwerfgesellschaft und schöne Mode wieder schätzen lernen. Es gilt, auf jedes einzelne Stück im Kleiderschrank stolz zu sein. Die Quintessenz der Nachhaltigkeit ist, Dinge lange zu nutzen. Da sind natürlich auch Secondhandläden oder Tauschpartys, wie sie unter jüngeren Leuten üblich sind, eine tolle Sache. Am nachhaltigsten ist es auf jeden Fall, qualitativ hochwertige Produkte zu kaufen und sie so lange zu tragen, bis sie auseinanderfallen - anstatt Ramschware ungetragen im Müll zu entsorgen.

Wie schwierig ist es, sich nachhaltig zu kleiden? Geht das überall?

Problemlos! Nachhaltige Labels gibt es in jeder Stadt und in fast jedem Laden. Nahezu alle Geschäfte in Kirchheim führen auch faire Marken. Die Mode, die man hier kaufen kann, ist echt schick. Ich kenne Leute, die mittlerweile in München leben, aber extra zum Shoppen hierher zurückkommen. Sie wissen die Modegeschäfte sowie die kleinen Boutiquen, alles mit guter Beratung, zu schätzen.