Kirchheim
Kommentar: Das Stadtbild prägt sich ein

Ein Lob dem Gestaltungsbeirat: Dessen Mitglieder haben erkannt, dass Städte eine Seele haben, einen ganz eigenen Charakter. Für diesen Charakter sorgen einzelne Gebäude, die völlig zurecht das Prädikat „stadtbildprägend“ bekommen. Allerdings muss es nicht das gesamte Gebäude sein, das ein Stadtbild prägen hilft. Dafür genügen bereits die äußere Form und Gestalt.

Wer Fassaden stehen lässt, baut deswegen noch lange keine Potemkinschen Dörfer oder Western-Film-Kulissen. Dabei geht es auch nicht um eine Art Vortäuschen falscher Tatsachen. Es ist im Fall der Kirchheimer Linde eher die extreme Form, ein Gebäude wieder ganz auf Vordermann zu bringen. Wenn es sich schon nicht verhindern lässt, das historische Gebäude abzubrechen und einen Neubau zu erstellen, dann bleibt wenigstens das historische Gesicht erhalten - die Fassade.

Damit kann auch ein wichtiger Teil Kirchheims, das Ensemble zwischen Amtsgericht und Schwarzem Adler, sein Gesicht wahren. Gelungen ist zudem die feine Abstufung: Die Linde und das Backsteingebäude nebenan bleiben als Fassade stehen. Das Gebäude des Bürgertreffs dagegen kann ruhig eine neue Fassade erhalten, solange deren Ausmaß nicht von der jetzigen abweicht. Die aktuelle Fassade ist wirklich nichts Besonderes.

Die Vorgehensweise, hinter alten Fassaden neu zu bauen, passt sich ein in Konzepte, die derzeit bundesweit Furore machen - etwa beim Berliner Stadtschloss oder in Frankfurts Innenstadt. Dort werden sogar die alten Fassaden neu nachgebaut, weil man sich der Bedeutung der historischen Ansichten bewusst geworden ist. Der alte Gebäudebestand ist - zumindest äußerlich - das Gesicht und die Seele einer Stadt. Es sind allein diese Fassaden, die Besucher in eine Stadt locken können und die dafür sorgen, dass die Besucher hinterher begeistert sind. Einzige Zusatzbedingung: Anders als bei Potemkinschen Dörfern und Western-Fassaden müssen die Städte auch belebt sein. Sonst verkommen sie zu Geisterstädten.

Aber da besteht in Kirchheim kein Anlass zur Sorge - erst recht nicht im Mehrgenerationenhaus. Von Andreas Volz