Kirchheim
Kommt ein neuer Augenarzt nach Kirchheim?

Gesundheit Ab Januar behandelt der Kirchheimer Augenarzt Dr. Peter Enke nur noch Privatpatienten. Was das für Kassenpatienten bedeutet und wie es um die Nachfolge steht. Von Bianca Lütz-Holoch

Wer schlecht sieht oder andere Probleme mit den Augen hat, weiß aus eigener Erfahrung: Augenarzttermine sind in Kirchheim und Umgebung schwer zu bekommen. Ab Januar tritt auch noch der Kirchheimer Augenarzt Dr. Peter Enke kürzer. Der 69-Jährige gibt zum 31. Dezember seine Kassenzulassung ab und behandelt nur noch Privatpatienten und Selbstzahler. Für viele gesetzlich Versicherte stellt sich nun die Frage: Wie geht es weiter?

 

„Privatpatienten erhalten das System.
Das ist nicht fair – aber die Realität.
Dr. Peter Enke
Der Augenarzt kritisiert die niedrigen Pauschalen für Kassenpatienten.

 

„Ich habe einen Antrag auf Nachbesetzung meines Kassensitzes gestellt“, sagt Dr. Peter Enke. Damit ist der erste Schritt hin zur Praxisnachfolge getan. Ob und wann ein Nachfolger kommt, ist aber noch offen. Zum einen gestaltet sich das Verfahren für Augenarztpraxen im Kreis Esslingen wesentlich schwieriger als anderswo. Der Grund: „Rein rechnerisch liegt im Kreis Esslingen eine Überversorgung bei den Augenärzten vor“, sagt Kai Sonntag, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW). „Eigentlich dürfen keine neuen Augenärzte mehr dazukommen, sondern die Zahl müsste reduziert werden.“ Eine Ausnahme stellt die Übergabe einer Praxis an einen Nachfolger dar. Zunächst muss allerdings die Versorgungsrelevanz geprüft werden. 

Zum speziellen Kirchheimer Fall darf Kai Sonntag keine Auskunft geben, weil das Verfahren nichtöffentlich ist. Nur so viel: „In den vergangenen acht oder neun Jahren sind gerade mal eine Hand voll Anträge abgelehnt worden“, sagt der KVBW-Sprecher. „Und in den Fällen ging es immer um Praxen, die schon fast keine Patienten mehr hatten.“ Übertragen auf die Praxis Dr. Enke heißt das: Die Chancen stehen gut.

Mit der Genehmigung und der Ausschreibung der Stelle allein ist es jedoch nicht getan. Es muss sich auch ein Arzt finden, der die Praxis übernehmen möchte. „Die Augenärzte stehen nicht Schlange“, gibt Kai Sonntag zu bedenken. Peter Enke zeigt sich dagegen optimistisch: „Meines Wissens gibt es Interessenten“, sagt er. 

Nachfolge solle innerhalb von sechs Monaten geregelt sein

Klar ist: Von heute auf morgen vollzieht sich der Wechsel nicht. Es wird einige Monate dauern, bis das Verfahren abgeschlossen, ein Nachfolger gefunden und die Praxis eröffnet ist. Länger als ein halbes Jahr sollte sich der Prozess aber nicht ziehen: „Geht das Ganze nicht innerhalb von sechs Monaten über die Bühne, handelt es sich nicht mehr um eine Nachfolgeregelung“, bezieht sich Kai Sonntag auf ein Urteil des Bundessozialgerichts. „Dann steigt die Gefahr, dass der Arztsitz wegfällt.“

Bis zum eventuellen Wechsel hält Peter Enke weiter in seinen beiden bestehenden Praxen Sprechstunden ab – vormittags in der Praxis in der Paulinenstraße 3 und nachmittags in der neueren Privatpraxis am Marktplatz 4. Ab 2023 behandelt er an beiden Standorten nur noch privat Versicherte oder Selbstzahler. Wer es sich leisten kann, erhält als Kassenpatient dort die gleiche Behandlung wie Privatpatienten. „Für einige gesetzlich Versicherte könnte das auch eine Zwischenlösung sein, bis ein neuer Augenarzt da ist“, glaubt Peter Enke.

Dass er trotz „Altersteilzeit“ erst einmal beide Praxen hält, hat einen konkreten Grund. „Ich möchte einem Nachfolger die Möglichkeit bieten, in den Räumen in der Paulinenstraße weiterzumachen“, sagt er. Das wäre aus seiner Sicht auch die beste und einfachste Lösung für seinen Patientenstamm. 

Praxis besteht seit fast 37 Jahren

Außer Frage steht, dass das Ende der Ära Enke für viele Menschen einen Einschnitt darstellt. „Man hat nach so langer Zeit schon seine Gemeinde beieinander“, räumt Peter Enke ein. „Aber ich habe mit 69 Jahren meinen Teil getan.“ Eröffnet hat er seine Praxis im April 1986 – vor fast 37 Jahren.

In der Zeit hat sich aus Sicht von Peter Enke bei Weitem nicht alles zum Guten verändert. „Es gibt heute für alles Geld – nur nicht fürs Gesundheitssystem“, übt er Kritik an der Politik. Ein Beispiel: „In den 80er-Jahren habe ich etwa 80 Mark pro Quartal für einen Kassenpatienten erhalten, jetzt sind es 21 Euro – dabei ist die Kaufkraft einer Mark damals vergleichbar mit der eines Euro heute gewesen.“ Ohne Privatpatienten, da ist sich der Kirchheimer Augenarzt sicher, hätte er seine Praxis schon längst aufgeben müssen. „Privatpatienten erhalten das System“, so Peter Enke. „Das ist nicht fair, aber die Realität.“

Es wundert ihn auch nicht, dass es angesichts der Rahmenbedingungen immer schwieriger wird, junge Ärzte zu finden, die eine Praxis übernehmen wollen. Um ein gutes Auskommen zu gewährleisten, müssten die Sätze für Kassenpatienten aus seiner Sicht beträchtlich angehoben werden: „Eine Verdopplung reicht nicht, da muss man mindestens verdreifachen“, so Enke.

 

Der Kreis Esslingen ist für zusätzliche Augenärzte gesperrt

Die Versorgung mit Augen­ärzten im Kreis Esslingen liegt laut Kassenärztlicher Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) bei 120,4 Prozent. Neu zugelassen werden Ärzte aber nur, wenn der Versorgungsgrad unter 110 Prozent liegt. Das heißt: „Der Kreis Esslingen ist gesperrt für zusätzliche Augenärzte“, sagt KVBW-Sprecher Kai Sonntag. Eine Ausnahme stellt die Übernahme bestehender Praxen dar. Dann kann ein neuer Arzt Fuß fassen – allerdings nur mit Genehmigung.

Dass es Engpässe bei den Augenarztterminen gibt, weiß KVBW-Sprecher Kai Sonntag. „Die 120 Prozent spiegeln nicht das Bedürfnis der Patienten nach Terminen wider, sondern die zur Verfügung stehenden Mittel“, sagt er: „Die Kontingentierung hat der Gesetzgeber festgelegt, um den Beitragssatz stabil zu halten.“ Grundlage für die Versorgung und die maximale Anzahl der Kassensitze in den jeweiligen Gebieten ist die Bedarfsplanungs-Richtlinie auf Bundesebene.

Das Verfahren, um eine Ausschreibung zu genehmigen, sieht in überversorgten Gebieten so aus: Der ausscheidende Arzt stellt – wie Dr. Peter Enke es schon getan hat – einen Nachfolgeantrag beim Zulassungsausschuss. Er besteht zu gleichen Teilen aus Vertretern der Ärzteschaft und der Krankenkassen. Genehmigt wird eine Ausschreibung nur dann, wenn die Praxis als „versorgungsrelevant“ eingestuft wird. Diese Überprüfung übernimmt die Kassenärztliche Vereinigung. Bestätigt sie die Versorgungsrelevanz, geht der Fall zurück an den Zulassungsausschuss. Er entscheidet über die Ausschreibung.

Ist die Praxisnachfolge ausgeschrieben, können sich interessierte Ärzte während einer festgelegten Frist bewerben. Sollten keine Bewerbungen eingehen, kann die Frist auch verlängert werden. Über die Bewerber entscheidet schließlich wieder der Zulassungsausschuss.