Mitte Juni ist Kirchheim über Nacht deutschlandweit bekannt geworden. Der Grund: „Bürgie“, das Krokodil im See. Fernsehsender, überregionale Zeitungen und der Teckbote verbreiteten die spektakuläre Nachricht, in den sozialen Medien explodierten die Kommentarspalten. „Krokodil-Alarm am Bürgersee“ oder „Skurrile Krokodil-Suche in Baden-Württemberg“ lauteten die Schlagzeilen. Angler, Taucher, Ordnungshüter, Experten, Stadtbedienstete und Privatleute machten sich auf die Suche - umsonst.
Doch wie sieht die Lage jetzt nach rund einem Monat aus? Hat sich die Lage beruhigt? Wagen sich die Wasserratten wieder ins Wasser? Was sagen die Kioskbesitzer und die Stadt zu dem Tumult?
„Wie im Kindergarten verhalten sich manche Menschen hier. Ich verstehe nicht, wie die Leute das mit den Krokodilen glauben können“, schimpft die Kioskbesitzerin. Diese Meinung teilt sie mit ihrem Mann Rainer Stradinger. Auch er findet das ganze Getue maßlos übertrieben.
Kritisch ist das Ehepaar auch gegenüber den Behörden eingestellt: „Ich finde nicht, dass man da so viel Zeit investieren muss. Die Polizei hat doch Besseres zu tun, als ein fiktives Krokodil zu jagen.“ Die Stadt Kirchheim weist jedoch jeden Vorwurf weit von sich. „Es ist wichtig, solchen Meldungen nachzugehen und sie ernst zu nehmen“, meint der Pressesprecher der Stadt Kirchheim Dennis Koep. „Lieber wird einmal zu viel gehandelt, als einmal zu wenig.“ Schließlich ist die Stadt verantwortlich für die Sicherheit ihrer Bürger.
Jetzt ist die Lage wieder ziemlich ruhig. Passend zu den hochsommerlichen Temperaturen ist der See für den Ansturm der Badegäste gerüstet. Keiner macht sich größere Sorgen, dass „Bürgie“ wieder auftaucht und womöglich zuschnappt.
Der Krokodil-Hype hat nicht etwa Massen von Neugierigen angezogen. Im Gegenteil. Die Warnungen und die Sperrung der Seen haben bei den Kioskbesitzern ein Loch in die Kasse gerissen. „Unser Umsatz ist geringer geworden. Das ist schade, weil wir uns so auf die heißen Temperaturen gefreut haben.“ Vielleicht könnte ein Marketing-Gag helfen. Die Umsätze könnten wieder steigen, wenn auf der Speisekarte zu lesen stünde: „Jetzt neu: Unser Bürgie-Burger. Garantiert aus reinem Bürgerseekrokofleisch.“
Das würde vielleicht auch dem einen oder anderen Mitglied des Vereins der Bürgerseefreunde schmecken. Ihnen ist in den letzen Wochen keine große Veränderung aufgefallen. „Natürlich waren unsere Seen jetzt häufig in den Medien. Das ist auf alle Fälle eine super Werbung für Kirchheim und die Bürgerseen, aber hier haben wir nicht viel bemerkt“, erzählen sie.
Auch die Männerrunde am Stammtisch beim Kiosk sieht in der Krokodilgeschichte einen verspäteten Aprilscherz. „Als Nächstes finden sie eine Anakonda und dann ein Flusspferd in den Bürgerseen“, späßelt einer der Gäste, und die ganze Runde lacht mit. Die Männer aus dem Umkreis treffen sich jeden Tag am Kiosk und bekommen so als Allererste mit, was am See los ist. Und neben ein paar Enten, Gänsen, Hechten oder Ringelnattern ist ihnen noch keine bedrohliche „Bestie“ am Bürgersee begegnet. - Abgesehen von einer Rotwangenschildkröte, die sich unlängst gemütlich auf dem Holzstamm in der Mitte des Sees gesonnt hat.
Vorsicht ist jedoch vor den heimischen Waldbewohnern geboten: Ein Seebesucher ist angeblich erst diese Woche von zwei ausgewachsenen Dachsen gejagt worden. Er war auf seinem E-Bike am Parkplatz in der Nähe unterwegs, als plötzlich die beiden „Ungeheuer“ aus dem Gebüsch gekommen sein sollen. Sie fauchten ihn nach seinen Erzählungen an, sprangen ihm hinterher und bedrohten ihn.
Bleibt abzuwarten, welches Unwesen diesen Sommer über noch im Kirchheimer „Loch Nichts“ auftaucht . . .