Kunst findet im Kopf statt. Imagination tritt als gestaltende Kraft in Erscheinung. Die Betrachter werden zum eigentlichen Schauplatz der Kunst. Das als Exponat gezeigte Objekt dient bestenfalls als Katalysator, um schöpferisches Potenzial zu aktivieren. Diese belebende Form aktiver Rezeption kann in der Begegnung mit Sophie Innmanns Installation im Kirchheimer Bürgerpark erprobt werden. Von einem Exponat ist dabei kaum mehr zu sprechen. Auf Einladung des Kunstbeirats operiert Innmann an den Grenzen von Sichtbarkeit und physischer Präsenz.
An einer Ecke der Ausgleichsfläche der Städtischen Galerie ragt ein Stahlpfosten in die Höhe. Rechtwinklig knicken zwei Arme ab. Eine ins Extrem getriebene Reduktion appelliert an die Wahrnehmung, das gegebene Fragment zu vervollständigen. Die eigene Anschauung verlängert die angezeigten Achsen und spannt ein imaginiertes Raumvolumen auf. Ohne die vom Künstlerbüro Dellbrügge & de Moll realisierte Ausgleichsfläche anzutasten, erfährt diese eine Erweiterung ins Dreidimensionale. Innmanns expansiver Installationstitel ist zugleich ästhetisches Programm: „m² to m³ to mx“. Im Sinne der Künstlerin entsteht ein „Möglichkeitsraum“. Ein Freiraum und ein „Spielfeld“, das kreativ weitergedacht und mit Ideen besetzt werden soll.
Beeindruckende Vita
Vorbilder für ihre transformierende Raumecke habe sie in der Schweiz gefunden, berichtet Innmann bei der Eröffnung im Bürgerpark. Dort würde die Ausdehnung geplanter Gebäude öffentlich mit Stangen angezeigt. Innmann, die an der Kunstakademie Karlsruhe studierte, kann auf eine beeindruckende künstlerische Vita zurückblicken. Ihre Arbeiten wurden auch international gewürdigt, unter anderem von den Kunsthallen in Basel und Baden-Baden, dem Museum of Modern Art in Moskau oder dem Kunstmuseum Stuttgart. Sie war Stipendiatin des Landes und der Kunststiftung Baden-Württemberg. Vor drei Jahren erhielt sie das Arbeitsstipendium der Stiftung Kunstfonds Bonn. Seit 2015 lebt und arbeitet sie ohne festen Wohnsitz und ohne eigenes Atelier. Ein gewollt nomadisches Leben, das einem Konzept des Künstlers als „mobilem Denkraum“ folgt.
Richtet Innmanns Arbeit im Kirchheimer Bürgerpark einerseits den Blick auf einen zu gestaltenden Zukunftsraum, lenkt sie zugleich das Bewusstsein auf Vergangenes. Kreisläufe von Materialien spielten bei der Umsetzung der Ausgleichsfläche eine zentrale Rolle. Ihre markante ziegelfarbene Anmutung verdankt die Fläche verdichtetem Schutt von Abrisshäusern. Sedimentierte Lebensspuren also, die Innmann als Archiv begreift. Diesen verschütteten Geschichten spürte sie mit Schülern der Alleenschule nach. In Workshops entstanden Klangcollagen, die mittels QR-Code im Bürgerpark abspielbar sind. Innmanns Konzept steht und fällt mit der wachen Aktivität der Betrachter. Gelegenheit, die eigene Wahrnehmung anhand der Installation „m² to m³ to mx“ zu schulen und den eröffneten Raum kreativ weiterzubauen, besteht im Kirchheimer Bürgerpark bis 17. Dezember.