Kunst muss nicht nur um der Kunst willen bestehen. Sie kann sogar wesentlich mehr Zwecke erfüllen als nur den reinen Selbstzweck: Das zeigt sich in schöner Regelmäßigkeit bei der Kirchheimer Auktion „Kunst hilft Menschen“. Vor allem hilft in diesem Fall das Geld, das durch die Versteigerung eingenommen wird, drei Kirchheimer Institutionen: dem Freundeskreis Henriettenstift, dem Treffpunkt für alleinerziehende Menschen (TRAM) und dem Arbeitskreis Leben. Diese drei Einrichtungen wiederum helfen Menschen in unterschiedlichsten Lebenssituationen.
Somit ist schon sehr vielen Menschen geholfen - aber längst noch nicht allen. Wem hilft die Kunst noch? Vor allem den Künstlern. Birgitta Hommes-Zeyfang, die jeden einzelnen Künstler der Auktion kurz vorstellt, zitiert Hildegard Ruoff, die zur Auktion eine Fotografie beigesteuert hat: „Ohne Kunst hätte ich nicht leben können.“ Kunst als Lebenselixier: Das ist sowohl materiell als auch immateriell zu verstehen. Viele Künstler verdienen ihren Lebensunterhalt mit der Kunst. Sie könnten also im Wortsinn gar nicht leben - ohne Kunst. Für alle Künstler aber gilt, dass ihnen die Kunst eine Richtung fürs Leben vorgibt. Vielen gibt die Kunst sogar den wesentlichen Sinn im Leben.
Das wiederum teilen die Künstler mit den Sammlern: Wer ein Kunstwerk kauft oder ersteigert, findet darin einen Sinn. Das geht weit über den Benefizzweck der Auktion im Kirchheimer Kornhaus hinaus: Der Besitz eines Kunstwerks, das einen emotional anspricht, stiftet Sinn. Sinn wiederum stiftet Lebensfreude und -qualität. Somit hilft Kunst also auch dem kunstsammelnden Menschen. Was zu beweisen war.
Und noch eine Sorte Menschen gibt es, denen die Kunst alle paar Jahre im Kirchheimer Kornhaus helfen kann: Auch denjenigen, die nur zum Schauen und Horchen oder auch zum Staunen kommen, verhilft die Kunst zu einem kurzweiligen, vergnüglichen Abend.
Beispiele gefällig? Andreas Kenner, Stadtrat und Landtagsabgeordneter, der sich gemeinsam mit Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker im eingespielten Versteigerer-Duo bewährt, will Einsteiger zum Kaufen animieren. Zu diesem Zweck bringt er eine der bekanntesten Kirchheimer Kunstsammlerinnen ins Spiel, Doris Nöth: „Die hat auch mal mit dem ersten Bild angefangen - und dann waren‘s nachher über tausend.“
Aber längst nicht alle Bieter sind blutige Anfänger. Der eine oder andere ist „Dauergast“ im Kornhaus, wo diesen Herbst immerhin schon die vierte Auflage von „Kunst hilft Menschen“ über die Auktions-Bühne ging. Und wieder einmal machte Kirchheims Teilort Nabern dabei seinem Ruf als „Kunsthochburg“ alle Ehre.
Allerdings handelt es sich um eine ganz besondere Art von Kunsttransfer: Die Werke gehen nicht direkt von Kirchheims Kernstadt nach Nabern. Kirchheim scheint dieses Mal eher der Handelsplatz zu sein als der Produktionsort. Auffallend viele Künstler haben einen starken Bezug zu Nürtingen. Dem bekennenden Kirchheimer Andreas Kenner kann das eigentlich nicht gefallen. Aber für den guten Zweck macht er gute Miene zu diesem Spiel, das ja auch alles andere als ein böses Spiel ist.
„150 Euro für die ewige Magnolie“
Beim Anpreisen der Werke setzt der Auktionator aber trotzdem ganz auf die Kirchheimer Lokalebene. Es geht um ein Foto mit dem Titel „Magnolie“. „Die Kirchheimer lieben ja Magnolien“, sagt Andreas Kenner und ergänzt verschmitzt: „Die hier gibt‘s für 150 Euro, und sie hat den Vorteil, dass sie nicht gefällt wird. 150 Euro für die ewige Magnolie!“ Dabei bleibt es zwar, keiner bietet mehr. Aber immerhin geht das Magnolienfoto zum Mindestgebot weg.
Dieses Glück widerfährt nicht allen Kunstwerken. Ab und zu muss auch eins zurückgestellt werden. Aber auch noch später lässt es sich jederzeit zum Mindestgebotspreis erwerben. Nicht einmal fehlendes Kleingeld lässt Andreas Kenner als Ausrede gelten: „Mr därf au mit Karte zahla - oder mit Überweisungsträger.“
Wie lässt sich sonst noch der Auktions-Kunde locken? Mitunter durch Fokussierung auf die reine Kunst, ohne jedes Beiwerk: „Denken Sie sich einfach den Rahmen weg“, versucht es die Oberbürgermeisterin mit unkonventionellen Argumenten. Ein anderes Mal sagt sie: „Das kann doch nicht sein, dass man einen Franz Frank für 250 Euro hergibt!“ Es war dann aber doch so. Das gilt dann wohl als Künstlerpech - zumindest für die eifrigen Anpreiser.
Mehrfach aber sind sie auch im Glück - weil sie eben zu zweit agieren. Kurz bevor Angelika Matt-Heidecker den Hammer zum dritten Mal senkt, kommt noch ein weiteres Gebot aus dem Publikum. Zu spät? Nicht, wenn Andreas Kenner mitspielt: „Das Gebot kam einen Tick schneller, das gilt noch. Ich habe den Videobeweis.“ Diesen Beweis lässt denn auch jeder gelten, denn: Mehr Geld für Kunst hilft noch mehr Menschen.