Kirchheim
Kunstevent in Kirchheim: Vom Fischbrötchen zum Ich-Örtchen

Installation Der in Bochum geborene Künstler Mathias Schamp verwandelt den ehemaligen Fischimbiss in der Max-Eyth-Straße in Kirchheim zu einem temporären Gesamtkunstwerk. Von Kai Bauer

Ich habe noch nie so ein frei­stehendes Häuschen gehabt, das ja selber wieder eine plas­tische Erscheinung im Stadtbild ist, sowas wie ein Lebkuchenhäuschen. Das empfand ich als eine besonders große Herausforderung.“ Der Bochumer Künstler Mathias Schamp ist begeistert von der neuen Spielstätte für seinen „Mythos-Grill“ in Kirchheim. In der Max-Eyth-Straße 4, etwas weiter westlich vom Gebäude der Städtischen Galerie im Kornhaus, das zurzeit noch wegen Renovierungsarbeiten geschlossen ist, bespielt er für sechs Wochen das Häuschen des ehemaligen Imbissstandes für Fischbrötchen mit seiner temporären öffentlichen Intervention.

Im Inneren dieser neuen „Mythos-Grill-Filiale“ gibt es in den Regalen und an den Wänden eine Fülle von Objekten zu sehen. Zahlreiche kleine Nachbildungen von griechischen Skulpturen, korinthischen Säulen und bemalten Vasen aus der Produktion von touristischen Souvenirs finden sich neben praktischen Dingen wie Putzmittel, Schaumlöffel oder elektrischen Fritteusen. An den Wänden und im Schaufenster werden informelle Malereien, die ausschließlich mit riesigen Mengen von farbigen Pommesgabeln erstellt wurden, gezeigt. Man wird auch mit der passenden Musik berieselt: Ein bekannter Kölner Jazzgitarrist spielt über eine Stunde lang immer wieder den Anfang der weltbekannten Melodie eines griechischen Sirtaki.

In der Ecke lagern Kartoffelvorräte, die als Rohmaterial für die „Fritten-Schnitzaktion“ dienen, bei der unter reger Beteiligung des Publikums das „skulpturale Entwicklungspotenzial der Kartoffel voll ausgeschöpft“ und anschließend frittiert werden soll, denn nach Mathias Schamp ist „der Mythos-Grill eine Pommesbude und gleichzeitig eine alltagsarchäologische Spielstätte“.

Filialen in vielen Museen

Die Projektreihe „Der Mythos-Grill“ wurde 1997 in Zusammenarbeit mit dem Archäologischen Museum Münster initiiert und hat seither zahlreiche Filialen in verschiedenen Museen und Kunstinstitutionen im In- und Ausland eröffnet. Dabei wird das Publikum stets aktiv einbezogen, sei es mit einem „Fisch-Stäbchen-Bring-Service“, einem „Frikandel-Staffellauf“ oder mit der Erstellung eines „Fritteusenfarbkreises“.

In Kirchheim hat sich Schamp für das kleine Häuschen in der Max-Eyth-Straße, dessen Abriss bevorsteht, entschieden und das Schild „Fischbrötchen“ in sorgfältiger Montagearbeit in „Ich-Örtchen“ transformiert. Das parodistische Element spielt in Schamps Werk immer eine große Rolle. Einem breiteren Publikum wurde er bekannt durch die Reihe „Schlechte Verstecke“, die im Satire-Magazin Titanic veröffent­licht wurde.

Symbolbilder und Sprachbilder aus der Alltagskultur und aus der Philosophie werden durch das Momentum der Parodie transformiert und zu Motiven der Reflexion. Sie werden damit auf völlig neue Weise sichtbar gemacht und hinterfragt. „Der Mythos-Grill ist eine Maschine, die Kunstgeschichte frisst. Ich sehe mich da als letzten Sachverwalter des Erbes von Winckelmann“, so der Künstler selbstbewusst. Er stellt aber auch aktuelle Bezüge fest: „Bei Pythagoras wäre das Angebot rein pflanzlich.“

 

Zur Ausstellung

Die temporäre Filiale des „Mythos-Grill“ in Kirchheim unter dem Titel „Vom Fischbrötchen zum Ich-Örtchen“ wurde am 22. September eröffnet und läuft noch bis Samstag, 4. November.

Von außen kann die temporäre Filiale in der Max-Eyth-Straße im Ausstellungszeitraum rund um die Uhr besichtigt werden. Das Innere der Filiale ist wieder am Abschlusstag und nach Voranmeldung unter kontakt@staedtischegaleriekirchheim.com zu besuchen.

Der Künstler Mathias Schamp wurde 1964 in Bochum geboren und hat seine eigenen Sprachschöpfungen, die zwischen Kunst-, Philosophie- und Alltagssprache oszillieren. Mathias Schamp hat zuerst Kunstgeschichte und Philosophie studiert und begann in den 1990er-Jahren Interventionskunst im öffentlichen Raum zu entwickeln. Er hat außerdem als Autor mehrere Bücher veröffentlicht und Lehraufträge an der TU Berlin, der Bauhaus-Universität Weimar und der Universität zu Köln angenommen. Große Bekanntheit erlangte Schamp auch durch die Fotoserie „Schlechte Verstecke“ im Satire-Magazin Titanic, bei der er sich im Stadtraum beispielsweise hinter einem Verkehrsschild oder viel zu kleinen Spielgeräten auf einem Spielplatz zu verbergen versuchte. kab