Das Sozialministerium im Land verschärft seine Vorgaben für Tests in Senioren- und Pflegeheimen. In den mehr als hundert Betreuungseinrichtungen im Kreis Esslingen sollen im Mai erstmals sämtliche Bewohner und Mitarbeiter auf das Coronavirus getestet werden. Bisher geschah das in einigen Landkreisen nur freiwillig oder nach gehäuften Erkrankungen oder Todesfällen. So wie zuletzt in Dettingen, wo Anfang April im Haus an der Teck erstmals lückenlos Abstriche genommen wurden, nachdem sich 15 Heimbewohner angesteckt hatten. Zehn davon starben in Verbindung mit einer Infektion.
Im Landkreis Esslingen rückt man auf Geheiß des Ministeriums nun vom bisher verteidigten Kurs ab. Der sah vor, nur dort zu testen, wo Symptome auftreten. Eine Strategie, die bisher den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts entsprach. Bei typischen Krankheitszeichen oder Kontakten mit anderen Infizierten wurden demnach alle Mitarbeiter und die Bewohner der betroffenen Station untersucht. Dominique Scheuermann, die Leiterin des Esslinger Gesundheitsamtes, hält die gemeinsam mit dem Krisenstab im Landratsamt getroffene Entscheidung nach wie vor für richtig: Flächendeckende Tests seien nur eine Momentaufnahme, die allenfalls dazu verleite, sich in falscher Sicherheit zu wiegen, sagt sie. „Wer heute negativ ist, kann morgen schon positiv sein und übermorgen Symptome zeigen“, meint die Amtsärztin. Deshalb sei man gemeinsam zu dem Urteil gekommen, dass asymptomatische Tests aus medizinischer Sicht nicht sinnvoll seien.
Jetzt ist es eine Vorgabe, mit der die Politik auch auf die Tatsache reagiert, dass Testmöglichkeiten ausreichend vorhanden sind. Die Kapazitäten der Labore haben sich seit Mitte März verdreifacht, während die Testzahlen im Vergleich zu den Spitzenzeiten Anfang April rückläufig sind. „Das Ministerium will es so, jetzt machen wir das auch“, sagt Scheuermann.
Die Aktion bleibt jedoch vorerst einmalig. 4 355 Pflegeheim-Bewohner gibt es im Kreis Esslingen. Die Leiterin des Gesundheitsamtes geht davon aus, dass bis zu zehntausend Tests erforderlich sein werden. Das ist annähernd so viel, wie seit Inbetriebnahme der beiden Abstrichzentren im Kreis in den vergangenen zwei Monaten getestet wurde. Vom Hausmeister bis zur Reinigungskraft soll niemand, der in den Heimen regelmäßig aus und ein geht, vergessen werden. Viel Arbeit für Hausärzte, die die Heime betreuen. Die Kreisärzteschaft hat bereits einen Aufruf an alle Kollegen verschickt, sich an der Aktion zu beteiligen. Um ein möglichst scharfes Bild der Infektionslage zu erhalten, muss es schnell gehen. Jede Einrichtung soll spätestens am zweiten Tag durchgetestet sein. Ein Gesamtbild verspricht man sich im Gesundheitsamt frühestens Ende Mai oder Anfang Juni.
Heime kritisieren späten Termin
In den Pflegeheimen ist man zunächst froh darüber. „Es gibt uns einen Eindruck, wie hoch die Dunkelziffer ist“, sagt Petra Nastasi, Leiterin im Kirchheimer Fickerstift. Sie sagt aber auch: „Das Ganze wäre bereits vor sechs Wochen sinnvoller gewesen.“ Bisher ist das Heim in Trägerschaft des Deutschen Roten Kreuzes von Infektionen verschont geblieben. „Zumindest soweit wir das wissen“, sagt die Leiterin. Über positive Fälle ist auch im Kirchheimer Henriettenstift bisher nichts bekannt. Insofern ist auch dessen Leiter Marcel Koch gespannt auf die Ergebnisse, auch wenn der Reihentest gehörigen Aufwand bedeutet. „Wir müssen dafür alle Mitarbeiter herholen, auch die, die in Urlaub sind“, sagt Koch, Er rechnet mit rund 150 Tests im eigenen Haus, deren Ergebnisse wohl kaum bekannt sein dürften, wenn man sie am besten gebrauchen könnte: dann nämlich, wenn am 18. Mai auch Baden-Württemberg die Heimpforten für Besucher öffnet.