Kirchheim
Lars Lehner: Der auf die Tomate hört

Förderprojekt Sensoren messen Signale, die den Erzeugern sagen, ob es für eine Pflanze zu trocken oder zu kalt ist. Die Kirchheimer Lehner GmbH betreibt mit EU-Fördermitteln die Grundlagenforschung dazu. Von Andreas Volz

Mit Pflanzen reden - das soll bekanntlich helfen. Wer den berühmten „grünen Daumen“ hat, geht sorgsam mit seinen Pflanzen um. Dass man direkt mit Pflanzen „reden“ kann, ist zwar nach wie vor ein Wunschtraum für die Zukunft. Was es aber in der Gegenwart bereits gibt, ist die Möglichkeit, den Pflanzen zuzuhören.

Die Lehner GmbH im Kirchheimer Kruichling betreibt das „Abhören“ von Pflanzen schon seit vielen Jahren systematisch. Eigentlich ist das Unternehmen in der Automatisierung und in der Sensorik tätig. „Da sind wir in den verschiedensten Branchen Serienlieferant“, sagt Geschäftsführer Dr. Lars Lehner, bevor er zum eigentlichen Thema kommt: Es geht um einen Zwischenbericht zum EU-Fördermittelprojekt E-Plant.

Elektronisch sind die Pflanzen nicht, aber sie sind mit Sensoren ausgestattet, die ihre elektrischen Signale auffangen. „Eine Pflanze ist durchgeschaltet“, konstatiert Lars Lehner. „Sie transportiert nicht nur Nährstoffe, sondern auch Informationen. Die Kommunikation läuft von Zelle zu Zelle -über die Sprossachse.“

Und was kommuniziert die Pflanze so? Sie gibt Signale über Gefahren weiter. Trockenstress ist ein wichtiges Thema. Wenn die Wurzeln zu wenig Wasser haben, geht die Anweisung durch die Pflanze, den Wasserverbrauch herunterzufahren. Wasser, Feuchtigkeit, Licht, Nährstoffe, Schädlinge, CO2-Konzentration - was für das Überleben der Pflanze wichtig ist, leitet sie von unten nach oben weiter, oder auch umgekehrt.

Die Schwierigkeit der Pflanzenversteher besteht nun darin, dass sie zwar die Signale als solche messen können. Aber wie die Signale zu interpretieren sind, ist eine ganz andere Frage. „Die Daten, die wir sammeln, sind zunächst bedeutungslos“, gibt Lars Lehner offen zu. Die wesentliche Aufgabe, für die er und seine Projektpartner rund 470 000 Euro an Fördermitteln erhalten, besteht darin, die Informationen zu erkennen und zu „übersetzen“.

Ziel ist es, über „smart farming“ Gärtnern und Landwirten die Arbeit zu erleichtern, aber auch Kosten und Energie zu sparen. Es wäre ja denkbar, dass man auf diese Art und Weise erfährt, dass eine Pflanze auch mit leicht gesenkten Temperaturen gut gedeiht. Außerdem erhält sie gerade so viel Wasser, wie sie braucht - nicht zu viel und nicht zu wenig. Düngemittel lassen sich gezielter einsetzen. Dasselbe gilt für Mittel zur Schädlingsbekämpfung: Der Erzeuger kann auf einen konkreten Befall reagieren, noch bevor er sichtbar wird. Lars Lehner geht davon aus, dass sein Sensorsystem auch den Weingärtnern im Kampf gegen den Mehltau eines Tages eine große Hilfe sein kann.

Pflanzen in „Himmel und Hölle“

Nach wie vor geht es darum, die Signale der Pflanzen zu erforschen. Lars Lehner spricht von Pflanzen „im Himmel“ und „in der Hölle“. Der „Himmel“ sind die Gewächshäuser eines gro­ßen Tomatenherstellers. Wo Pflanzen und Früchte gedeihen, müssen die Bedingungen ideal sein. In der Staatsschule für Gartenbau in Hohenheim wird dagegen die „Hölle“ simuliert - nur zu Versuchszwecken. Welche Signale senden dieselben Pflanzen aus, wenn sie weniger Licht bekommen, weniger Wärme, weniger Wasser oder wenn Schädlinge sie attackieren?

Mit diesen Fragen beschäftigt sich Megha Bhat. Die Softwareentwicklerin hat bei der Lehner GmbH die Aufgabe, Rechner mit Daten zu füttern - und den Rechnern beizubringen, welche Information überhaupt relevant ist. „Da müssen Tausende von Variationen überprüft und interpretiert werden. Und nicht jeder Ausschlag in der Kurve ist perfekt.“ Die Rechner müssen trotzdem lernen, was die Pflanze jeweils sagen will, um daraus Handlungsempfehlungen an den Erzeuger abzuleiten.

Eine Handlungsempfehlung hatte Lars Lehner auch für den Landtagsabgeordneten der Grünen, Andreas Schwarz, parat, dem er seinen Zwischenbericht vorstellte: Fördermittel sollten mit weniger hohen bürokratischen Hürden versehen sein, und eine unabhängige Expertenkommission sollte darüber entscheiden. Andreas Schwarz nahm diese Anregung ebenso mit wie die Erkenntnis: „Wir müssen die Digitalisierung mit einbeziehen in die ­Diskussion um ein Auskommen der Landwirte und um eine Reduzierung der Pes­tizide. Sie führt zu einem effizienteren Mitteleinsatz.“