Kirchheim
Lauterbachs Sparpläne: „Nicht mehr als eine politische Nebelkerze“

Krankenkassen Gesundheitsminister Lauterbach will die Leistung für homöopathische Globuli und Co. streichen. Was bringt der Sparvorschlag wirklich? Von Cornelia Wahl

Die gesetzlichen Krankenkassen plagen Finanzierungssorgen in Milliardenhöhe. Grund sind die stark gestiegenen Ausgaben durch die Corona-Pandemie. Dies hat zur Folge, dass die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) sich nicht mehr selbst finanzieren können. Ergo springt der Staat ein.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach kam nun die Idee, die Ausgaben für Leistungen ohne medizinisch nachweisbaren Nutzen nicht mehr aus Beitragsmitteln finanzieren zu wollen. Sprich: Homöopathische und anthroposophische Leistungen sollen aus dem Leis­tungskatalog der GKV gestrichen werden. Die Möglichkeit, eine Zusatzversicherung für Homöopathie abzuschließen, soll es aber weiterhin geben. Doch stopft die Streichung der Leistungen das Finanzloch in großem Ausmaß?

Bei der AOK Neckar-Fils findet man mit Blick auf eine evidenzbasierte Versorgung der Versicherten den Vorstoß Karl Lauterbachs nachvollziehbar. „Doch dieses wird aufgrund der minimalen finanziellen Bedeutung im Gesamthaushalt keineswegs zu einer dauerhaften Stabilisierung der GKV-Finanzen beitragen“, teilt Heike Kallfass, Geschäftsführerin der AOK Neckar-Fils, mit. „Die vom Minis­ter anvisierten Ersparnisse von rund 20 bis 50 Millionen Euro sind aus Sicht der AOK Baden-Würt­temberg völlig unrealistisch und dürften wohl eher bei nur zehn bis elf Millionen Euro liegen.“

Dass das Einsparpotenzial wirklich marginal ist, zeigt sich, wenn man sich die Zahlen der AOK Baden-Württemberg anschaut, die im Jahr 2022 insgesamt 407 000 Euro für Homöopathika und homöopathische Leistungen ausgab. „Bezogen auf unsere mehr als 4,55 Millionen Versicherten liegen die rechnerisch ermittelten Jahresausgaben somit bei neun Cent pro Kopf. Die Ausgaben für Arzneimittel beliefen sich im selben Jahr für die AOK Baden-Württemberg auf 2,7 Milliarden Euro. Der Anteil der homöopathischen Präparate und Leistungen an diesen Kosten liegt somit bei 0,015 Prozent der Arzneimittelkosten“, rechnet die AOK Neckar-Fils vor.

Sparen ohne Wirkung

Und noch eine Rechnung, die zeigt, dass das Vorhaben des Ministers eher ein Sparen ohne große Wirkung ist: So wurden bei der AOK Neckar-Fils im Jahr 2022 demnach 45 370 Euro für die Homöopathie ausgegeben. Betrachtet man dazu die gesamten Leistungsausgaben in der Krankenversicherung der AOK Baden-Württemberg, die im Jahr 2022 mehr als 15,6 Milliarden Euro betrugen, verringert sich durch die Streichung der Kassenleistung für Homöopathie das Finanzloch nicht wirklich.

„Die Streichung der Homöopathie als Kassenleistung ist damit nicht mehr als eine politische Nebelkerze“, so Heike Kallfass. Es brauche dringend nachhaltige und strukturelle Reformen – unter anderem eine auskömmliche Finanzierung von Beiträgen für Bürgergeld-Beziehende. Nicht so sehr aus dem Blickwinkel der Zahlen sieht Apotheker Daniel Miller von der Adler Apotheke in Kirchheim die Sache. Er sieht vielmehr, dass den Menschen eine weitere Behandlungsmöglichkeit verloren geht. Die Streichung der von Vertragsärzten verordneten Homöopathika schmälere zwar den Umsatz in seiner Apotheke, aber es sei kein herber Verlust. Viel schlimmer sei es, dass viele Firmen ihr Sortiment schon seit einiger Zeit aus verschiedenen Gründen einschränken würden. Immer wieder komme es vor, dass er den Ärzten sagen müsse, dass ein verordnetes Mittel nicht mehr zu haben sei. Das sei schade, weil die Homöopathie etwa für Kinder und Schwangere eine gute Alternative darstelle. Der Apotheker findet, dass die Homöopathie durchaus ihre Berechtigung habe, wie andere Behandlungsmethoden auch.

 

Wissenswertes zur Homöopathie

Die Homöopathie hat eine lange Geschichte. Sie wurde im 18. Jahrhundert vom Arzt Samuel Hahnemann begründet. Hahnemann ging bei seinen Forschungen vom sogenannten Ähnlichkeitsprinzip aus: Substanzen, die bei Gesunden bestimmte Symptome auslösen, lindern ähnliche Beschwerden bei Kranken.

Die Verabreichung erfolgt mit Saccharosekügelchen, Tabletten oder flüssig auf Basis eines Wasser-Alkohol-Gemisches. Homöopathika enthalten stark verdünnte Ausgangsstoffe, deren Wirkung nach Hahnemann umso stärker sei, je mehr verdünnt wurde. Die Herstellung erfolgt nach Handlungsvorschriften des Heilmittelarzneibuches.

Homöopathische Präparate unterliegen dem Arzneimittelgesetz und brauchen eine Zulassung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, das nach festgelegten Kriterien zu Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit entscheidet. Dabei steht dem Institut die selbständige wissenschaftliche Kommission D beratend zur Seite. cw