Es klingt erst mal gut, was der neue Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir fordert: Preise für Lebensmittel sollen die „ökologische Wahrheit besser ausdrücken“. Das heißt im Klartext: Lebensmittel, vor allem Getreide, Gemüse und Fleisch müssen teurer werden. „Der Vorstoß ist gut“, sagt Siegfried Nägele, Vorsitzender des Kreisbauernverbands Esslingen. „Aber wir haben schon früher die Leute auf der Straße gefragt, ob sie mehr Tierwohl wollen. Da sagen alle ja. Nur passt das nicht zu ihrem Verhalten an der Kasse“, fügt der Bissinger hinzu.
Erschwerend kommt hinzu, dass derzeit Preise generell steigen, auch für die Landwirte. „Die Düngerpreise sind jenseits von Gut und Böse, aktuell liegen sie um das Drei- bis Vierfache so hoch wie zu normalen Zeiten“, sagt Marion Gölz vom gleichnamigen Hoflädle in Nabern. Ähnlich sehe es beim Diesel und Pflanzenschutz aus. Das hat Folgen für die Futterkosten, die stetig steigen. Auf dem Hof halten sie 30 Milchkühe und 40 Jungtiere, davon allein könnten sie nicht existieren. „Wir sind ein Mischbetrieb“, sagt Marion Gölz. Den Vorstoß des neuen Landwirtschaftsministers würde sie sich auch gegenüber dem Einzelhandel und der Konkurrenz aus dem Ausland wünschen. „Argentinisches Rindfleisch klingt toll, aber wen interessiert die Haltung der Tiere dort? Wir haben in Deutschland weltweit die höchsten Auflagen, konkurrieren aber mit dem Fleisch aus Ländern, wo das viel laxer gehandhabt wird.
Importe sind zu billig
„Fleischimporte müssen teurer werden. Dort müsste die Politik aktiv werden, aber da stehen natürlich Handelsinteressen dahinter“, sagt auch Mathias Münsinger vom Brunnenhof im Seebachtal. Er glaubt nicht, dass sich Preise politisch bestimmen lassen. „Lebensmittel haben hier keinen Wert“, sagt er. Besonders schwer habe es eine Branche: die Schweinebauern. Während das Rindfleisch derzeit steigt, fällt der Preis für Schweinefleisch ins Bodenlose. Bei 65 Euro für ein Ferkel müsse der Züchter noch Geld zuschießen. „Einem Bekannten fehlen dadurch 50 000 Euro“, sagt der Holzmadener, der selbst 70 Rinder hat. Siegfried Nägele schätzt, dass 50 Prozent der Schweinezüchter aufgeben werden. Durch die Afrikanische Schweinepest herrscht in vielen Ländern Einfuhrverbot, bestimmte Teile der Schweine finden dadurch keine Abnehmer mehr, wie zum Beispiel Schweinepfoten. Derzeit kommen 45 Prozent des verkauften Schweinefleisch aus der Region. Aber die Tendenz zeigt deutlich nach unten. „Wir erleben in der Landwirtschaft eine Mega-Transformation wie in der Autoindustrie“, sagt er.
Das andere Problem für hiesige Erzeuger ist der mächtige Einzelhandel. Der drückt nicht nur die Preise, sondern will gleichzeitig höhere Standards in der Tierhaltung. „Mehr Tierwohl ist ja ok“, sagt Marion Gölz. Aber dass der Einzelhandel das Tierwohl-Label quasi im Alleingang eingeführt hat, nimmt sie der Politik übel. „Da hätte man eingreifen müssen“, sagt sie. Die Label-Stufe Eins und zwei seien noch machbar, aber drei und vier bedeute für viele Betriebe enorme Investitionen. „Wer gibt uns die Garantie, dass wir mit den dann gültigen Preisen die Umbaukosten wieder reinbekommen“, fragt sie sich. „Kann Fleisch aus Argentinien oder Neuseeland Bio sein? Ist regionales Fleisch nicht besser?“, fügt sie hinzu. Da geht es auch um Definitionen. „Gelten 200 Tiere in eine modernen Betrieb schon als Massentierhaltung? Sind fünf Kühe in einem dunklen Loch besser? Da haben viele Leute den reellen Bezug zur Landwirtschaft verloren“, sagt Siegfried Nägele.
„Klasse, wenn er es schafft“
Wo er und die Bauern sich einig sind: Allein mit Rahmensetzungen geht es nicht. „Politik muss gegenüber dem Einzelhandel entschiedener auftreten“, sagt etwa Marion Gölz. Und auf die kleinen Erzeuger müsse man Rücksicht nehmen. Doch das ist ein Kampf, den die Landwirte schon lange kämpfen. Der Vorsitzende des Bauernverbands weiß: „Der Lebensmittelhandel ist sehr stark, weil er auch politisch als Wohlstandsicherer gewollt ist. Die sind knallhart.“ Deswegen glaubt Mathias Münsinger nicht, dass der Ministervorstoß erfolgreich sein wird. „Der kann nicht alles ändern. Es wäre natürlich klasse, wenn er das schafft.“