Nicht alle schreien so laut „Hurra“, wie es die Werbekampagne des Kultusministeriums für das Lehramt suggerieren will: Baden-Württemberg braucht dringend Lehrkräfte – nicht nur ein paar, sondern ganz schön viele. Deswegen setzt das Ministerium auch auf Quereinsteiger. Sie werden umworben: Wenn sie in ihrem derzeitigen Beruf unzufrieden sind und gerne umsatteln möchten, dann können sie sich beim Land bewerben und möglicherweise eine neue Karriere an einer Schule beginnen.
Das in etwa sollte der Inhalt der Kampagne sein, und das wäre auch eine wirklich wichtige Botschaft, um Menschen zu motivieren, Büro oder Werkshalle gegen Klassen- und Lehrerzimmer zu tauschen. Es gibt dazu noch einen Satz, der den Lehrerberuf positiv rüberbringt und die Umworbenen intrinsisch motivieren könnte: „Mach, was dir Spaß macht“. Besser geht es eigentlich nicht, oder?
„Keinen Bock auf Arbeit?“
Weit gefehlt, denn das Plakat am Stuttgarter Flughafen weist noch einen ganz anderen Satz auf – eine Frage, die eigentlich die gesamte Kampagne in Frage stellt: „Gelandet und gar keinen Bock auf Arbeit morgen?“ Wer also frisch aus dem Urlaub zurückgekehrt und sicher in der Heimat gelandet ist, sich aber nicht so richtig für die Arbeit am kommenden Tag motiviert fühlt, soll sich umorientieren und Lehrer werden. So zumindest könnte der Satz gemeint sein.
Verstanden wird er aber meistens ganz anders – und zwar von den Lehrkräften ebenso wie von ihren hartnäckigsten Kritikern: Wer, aus welchen Gründen auch immer, eine Lehrerphobie hat, sieht alle Vorurteile bestätigt. Und wer selbst an einer Schule unterrichtet, sieht sich komplett verunglimpft und an den Pranger gestellt, und das auch noch unter Ausnutzung übler Ressentiments.
Das Problem ist das fehlende Pronomen: „keinen Bock auf deine Arbeit“ hätte es heißen müssen, um Missverständnisse auszuräumen. So aber bleibt als Botschaft übrig: Lehrer arbeiten nicht. Sie haben jede Menge Spaß, weil sie ja viel Tagesfreizeit und noch dazu dauernd Ferien haben.
Marlon Lamour, Rektor der Kirchheimer Freihof-Realschule und einer der stellvertretenden Landesvorsitzenden des Realschullehrerverbands Baden-Württemberg, weiß nicht, was er von der Kampagne halten soll: „Entweder war die Empörung gewollt, um bewusst Aufmerksamkeit zu erregen. Das wäre aber wirklich schräg, grotesk und bizarr. Oder es war Gedankenlosigkeit – was es auch nicht viel besser machen würde.“
Die Rückmeldungen in seinem Verband gehen durch die Decke: „So etwas habe ich noch nie erlebt.“ Dass es neue Lehrkräfte brauche, sei unbestritten. Aber diffamierende Vorurteile zu bedienen – ob bewusst oder unbewusst –, um Quereinsteiger zu bekommen, hält er für den falschen Weg: „Wenn jemand wirklich glaubt, als Lehrer hätte er einen lockeren Job und so gut wie keine Arbeit, dann wäre er an einer Schule völlig falsch. So jemanden brauchen wir nicht.“
Was ihn stört, ist die mangelnde Wertschätzung für seinen Berufsstand: „Das gibt es immer wieder, von vielen verschiedenen Seiten. Aber dass es aus dem Kultusministerium kommt, also direkt von unserem Arbeitgeber, das ist schon ein starkes Stück.“
Trotzdem rät er dazu, die Kirche im Dorf zu lassen: „Rücktrittsforderungen gegenüber der Ministerin sind völlig überzogen. Es würde reichen, wenn eine klare Entschuldigung kommt und wenn dieses Plakat abgehängt wird. Wir müssen dann wieder auf eine sachliche Gesprächsebene zurückkommen – von allen Seiten.“ Eine eindeutige Reaktion von ganz oben sei auf jeden Fall notwendig: „Das kann man nicht einfach aussitzen. Da kann man keinen Pressesprecher vorschicken, der sich auch noch zu freuen scheint, wie erfolgreich die Kampagne ist, weil sie so viel Aufmerksamkeit erregt. Trotz aller Aufmerksamkeit lässt sich kein neues Personal gewinnen, indem man das vorhandene Personal dermaßen diskreditiert.“