Lesen bildet. Wie aber bringt man Kinder und Jugendliche dazu, freiwillig zu lesen? Vorlesen kann sicher ebenso helfen wie Vorbild sein. Beides muss aber nicht zwangsläufig dazu führen, dass sich die Kinder später selbst zu Leseratten entwickeln. Während der Pandemie hätten viele Schüler die Gelegenheit gehabt, sich mit Büchern zu beschäftigen. Aber die Konkurrenz scheint übermächtig zu sein, wie Marlon Lamour, Rektor der Kirchheimer Freihof-Realschule, berichtet: „Das Smartphone bietet den Kindern alles, was sie verlangen. Sie beschäftigen sich jeden Tag stundenlang damit.“
Er will den Trend zu digitalen Medien nicht verteufeln. Trotzdem betont er, wie wichtig die Kulturtechnik Lesen ist: „Das sinnverstehende Lesen ist in allen Fächern wichtig.“ Es geht also nicht nur darum, Wörter entziffern zu können. Schüler müssen lernen, Sinn und Inhalt von Texten in kurzer Zeit richtig zu erfassen. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein, ist es aber nicht mehr. „Wir haben nach der Pandemie gemerkt, dass das Lesen und die Begeisterung fürs Lesen noch weiter zurückgegangen sind“, stellt der Schulleiter mit großem Bedauern fest. Gerade die Begeisterung hält er für das A und O: „Wenn man sich richtig fürs Lesen begeistert, dann bleibt man an den Texten auch dran.“
Um den Spaß am Lesen zu wecken, hat die Freihof-Realschule jetzt die Zusammenarbeit mit der Buchhandlung Zimmermann intensiviert: „Je mehr Externe zu uns an die Schule kommen, desto besser ist es“, sagt Marlon Lamour. „Wenn da jemand im Klassenzimmer aus seinem Berufsalltag berichtet, macht das Eindruck.“
Sibylle Mockler von der Buchhandlung Zimmermann nennt als Vorteil der „Externen“, „dass wir keinen Stoff durchbringen müssen, wenn wir an Schulen gehen oder wenn Schulklassen zu uns kommen“. Trotzdem geht es darum, den Kindern und Jugendlichen zu vermitteln, dass Bücher nichts Langweiliges sind, was man für die Schule lesen muss. Vielmehr kann es Spaß machen, sich mit Büchern zu beschäftigen und dabei in anderen Welten zu versinken.
Sibylle Mockler sieht aber einen generellen Trend, dass sich die Schulen nach der Pandemie wieder für das Lesen stark machen: „Unsere Aktionen für Schulklassen zum Welttag des Buches Ende April dauern normalerweise zwei Wochen. Dieses Jahr brauchen wir aber vier Wochen, um auf die Nachfrage reagieren zu können. Es ist also ein großer Bedarf vorhanden.“
An der Freihof-Realschule wird auch da Lesezimmer so langsam wieder besser angenommen: „Während der Pandemie mussten wir das schließen“, berichtet Marlon Lamour. Es muss aber erst wieder anlaufen, weil auch die Eltern, die ehrenamtlich die Aufsicht im Lesezimmer führen, inzwischen andere Termine haben und nicht mehr so wie vorher zur Verfügung stehen.
„Packende“ Lektüre ist gefragt
Buchhandlung und Schule sorgen dafür, dass es im Lesezimmer genügend Lektüre gibt, mit der die Schüler ihre Freizeit gestalten können. Allerdings braucht es dafür auch Bücher, die „packend“ genug sind. Harry Potter gehört dazu, aber auch „Gregs Tagebuch“. Und wenn die Schüler Mangas bevorzugen? Für Sibylle Mockler kein Problem: „Mangas sind vielleicht nicht die beste Förderung für das sinnverstehende Lesen. Aber sie sind besser, als gar nichts zu lesen und gar kein Buch in die Hand zu nehmen.“
Die „richtigen“ Leser, die es an der Freihof-Realschule durchaus auch noch gibt, sind als „Testleser“ für die Buchhandlung Zimmermann aktiv und schreiben anschließend eigene Lesetipps. Nach der Pandemie gibt es jetzt auch wieder die Möglichkeit, dass sie ihre „Bücherhits für Kids“ öffentlich bei einem Leseabend in der Buchhandlung vorstellen. So kommen die Bücher also vom Lesezimmer auch wieder zurück in den Laden.