Kirchheim
Mai-Kundgebung: Über Rüstung und Entrüstung

Gewerkschaften GEW-Vertreter Dominik Steiner ermuntert die Besucher der 1. Mai-Kundgebung , die Zukunft gemeinsam zu gestalten. Von Thomas Krytzner

Nur selten war das weltpolitische Geschehen in der rund 100-jährigen Geschichte der Kundgebungen zum Tag der Arbeit derart dominant wie in diesem Jahr. Pandemie und Krieg beschäftigen die Gesellschaft und beeinflussen das Leben und damit die soziale Gerechtigkeit. Für Dominik Steiner, stellvertretender Kreisvorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), liegen seit der Milliardenspritze für die Bundeswehr die Begriffe „Rüstung“ und „Entrüstung“ nah beieinander: „Befanden wir uns vor Kurzem nicht immer noch in einem Ringen um Gelder für Pflegepersonal, Erzieherinnen und Erzieher und Lehrkräfte? Wurde uns nicht mitgeteilt, dass hierfür kein Geld vorhanden sei?“ Dominik Steiner sieht darin gesellschaftlichen Sprengstoff, dass die gesundheitliche und soziale Schieflage dieser Gesellschaft eben nicht durch entsprechende Ressourcen behoben werde.

 

Diejenigen, die weit unten in der Lohnkette stehen, waren plötzlich systemrelevant.
Dominik Steiner über Erzieherinnen und Verkäufer in der Pandemie
 

Steiner stellte bei der 1. Mai-Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) auf dem Kirchheimer Marktplatz klar, dass das Eintreten für Frieden und Gerechtigkeit zwar unabdingbar sei, aber „dies darf nicht bedeuten, dass wir jetzt unseren Blick und vor allem unsere begrenzten finanziellen Mittel ausschließlich auf den militärischen Aspekt der Sicherheits- und Friedenspolitik verengen dürfen“. Man dürfe die ökologische und soziale Frage nicht nachrangig betrachten oder gar zurückstellen, forderte der Gewerkschaftsvertreter. Das Motto der diesjährigen Kundgebungen „Gemeinsam Zukunft gestalten“ gewinne mehr denn je an Bedeutung, betonte Dominik Steiner. „Geschwisterlichkeit, Solidarität und soziale Gerechtigkeit sind mehr als nur hohle Phrasen aus Wohlfühl-Wahlkampf-Werbung – sie sind der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält“, bekräftigte er und erklärte, dass sonst ein Nährboden für gesellschaftliche Spaltung entstehe.

Dominik Steiner wünscht sich Schulen und Einrichtungen, die Lebenschancen eröffnen. „Dazu brauchen wir Löhne, von denen man leben kann und Arbeitsbedingungen, die einen nicht auffressen.“ Die Systemwende ist laut dem Mitglied der Gewerkschaft, Erziehung und Wissenschaft (GEW) nur mit einem leistungsfähigen Staat möglich. „Dieser sollte nicht nur im Dienst der Bürgerinnen und Bürger stehen, sondern auch die Weichen für eine zukunftsfähige Wirtschaft und Gesellschaft stellen.“ Dazu seien die hochwertige Personalausstattung sowie der Wegfall der Bürokratie notwendig. Er forderte daher, dass die Ökonomie des Alltagslebens auf neue Füße gestellt werde, die Corona-Pandemie habe die marktwirtschaftliche Logik offengelegt. Dominik Steiner präzisierte: „Diejenigen, die weit unten in der Lohnkette stehen, waren plötzlich systemrelevant. Es waren die Pflegekräfte, die Erzieherinnen und Erzieher, die Verkäuferinnen und Verkäufer, die das Wohlergehen, den Wohlstand der Gesellschaft sicherten.“ Aus diesem Grund müsse laut dem GEW-Vertreter deren Beitrag an der gesellschaftlichen Wertschöpfung neu bewertet werden. Die Krise habe deutlich gezeigt, dass die medizinische Versorgung und das Bildungswesen vorrangig staatlich gesteuert und organisiert werden müssen.

Oberbürgermeister Dr. Pascal Bader indes befürchtet, dass der Zusammenhalt in der Gesellschaft vor einer Bewährungsprobe steht. „Dies zeigt sich unter anderem in der Ungleichheit der Lernstufen der Kinder durch das Homeschooling.“ Die Kinderarmut bezeichnete Pascal Bader als Langzeitskandal, hier sei vor allem die Koalition gefordert. „Wir als Kommune sorgen für Chancengleichheit im Bildungswesen.“ Der Oberbürgermeister bedauerte den Fachkräftemangel: „Wir müssen dringend das berufliche Umfeld und die Arbeitssituation verbessern.“

Gegen Rassismus und Sexismus

Eylem Aslan-Bilir, Mitglied des Volkshauses Kirchheim, beschäftigte sich in ihrer 1. Mai-Rede mit dem Leben auf der Erde: „Wir müssen mit der Ausbeutung von Mensch und Natur aufhören.“ Die enormen Preissteigerungen sieht sie als Ergebnis einer Wirtschaft aus Profit. Eylem Aslan-Bilir plädierte auf dem Marktplatz unter anderem für eine klare Kante gegen Rassismus und Ausbeutung der Frauen.