Interview
„Man darf bis zum Schluss froh sein“

Ruth Schmid und Gregor Spittel besuchen als Clowns des Kinder- und Jugendhospizdienstes Kirchheim schwer kranke Kinder. 

Wo sie auftauchen, kommt Freude auf: Gregor Spittel und Ruth Schmid sind gerne als Clowns unterwegs und begleiten schwer kranke Kinder.  Foto: Carsten Riedl

Hallo Clown Peperino und Clownin Tutti Rutti, ist Lachen tatsächlich die beste Medizin?

Peperino: Auf jeden Fall.

Warum?

Peperino: Weil ich immer wieder feststelle, dass Lachen viel löst. Lachen hat mir persönlich immer schon geholfen, auch mit Situationen, die unangenehm sind, anders umzugehen.

Tutti Rutti: Jeder hat das Lachen in sich. Und wir als Clowns sehen es als unsere Aufgabe an, dass wir das Lachen aus den Menschen herauskitzeln. Nicht nur bei den Kindern, sondern auch bei den Eltern, Großeltern und allen Menschen, die anwesend sind. Das Lachen hilft allen.

Spürt ihr das auch, wenn ihr die Familien besucht? 

Peperino: Das habe ich schon ganz früh mitgenommen, seit ich als Clown unterwegs bin: Die Kinder suchen genau danach, vor allem die kranken Kinder. Denn oft ist es das Umfeld, das das Lachen nicht zulässt. Aber die Kinder wollen ganz normal Kind sein. Wenn wir in einen Raum kommen, entsteht eine andere Atmosphäre. Ich empfinde es oft wie ein Aufatmen bei den Kindern. Die Trauerstimmung, die ja nach wie vor wie ein Damoklesschwert über allem schwebt, ist dann verschwunden.

Tutti Rutti: Wir sind ja meistens nicht lange da, aber wir hinterlassen diesen Esprit, diesen Geist von ,Hier darf auch gelacht werden‘. Ich habe mir angewöhnt, immer irgendwas vor Ort zu lassen, zum Beispiel einen Leuchtstern, sodass die Erinnerung an unseren Besuch noch lange anhält.

Die meisten Menschen wollen die Themen Krankheit, Trauer und Tod eher umgehen. Ihr stellt euch solch schwierigen Situationen in Familien. Warum?

Tutti Rutti: Das Leben ist bis zum Schluss Leben. Lachen und Lächeln gehören bis zum Ende dazu. Ich sehe mich als Vermittler dafür an, dass man bis zum Schluss froh sein darf. Man kann leichter Abschied nehmen, wenn man sich an die guten Sachen erinnert, wenn man die schönen Sachen nochmal präsent macht.

Peperino: Oft wissen die Kinder genau, dass sie krank sind. Sie können teilweise ganz gut damit umgehen. Aber das Umfeld lässt es nicht zu. Für mich ist die Motivation, das aufzubrechen. Als Clown darf man gewisse Grenzen überschreiten: Man darf lachen, Quatsch machen. Das gesteht uns dann auch das Umfeld zu. Das ist die große Chance, die ich als Clown sehe und die mich motiviert. Es geht darum, ein Stück weit einen Lebensweg mitzugehen.

Gibt es Grenzen, die ihr nicht überschreiten dürft?

Tutti Rutti: Man darf nicht wie ein Elefant im Porzellanladen auftreten. Wir versuchen, sehr achtsam mit den Stimmungen im Raum umzugehen.

Peperino: Wir sind ja keine Clowns, die eine Show machen und haben kein einstudiertes Programm. Wir versuchen, zuerst zu erspüren, wie die Situation im Raum ist. Darauf müsse wir uns dann spontan einlassen.

Wie muss man sich euren Besuch in Familien vorstellen?

Tutti Rutti: Bei jedem Erstbesuch bleiben wir zunächst relativ lange an der Tür und checken ab, wer alles da ist. Dann beginnen wir vielleicht mit kleinen Wortspielen oder stellen uns tapsig an, weil wir die Schuhe nicht von den Füßen kriegen. In der Wohnung sind wir dann erstmal neugierig. Die Kinder zeigen ganz schnell, was sie alles zum Spielen haben. Eigentlich beginnen meistens die Kinder. Und bei einem schwer kranken Kind, das nichts mehr zeigen kann, finden wir immer irgendwas in der Nähe - zum Beispiel ein Stofftier, das wir sprechen lassen. Dann sehen wir, wie das Kind reagiert, ob wir weitergehen oder eher wieder ein Stück zurück.

Peperino: Ein paar Kniffs und Tricks haben wir in petto. Aber wir schauen, wie das Umfeld reagiert, und spinnen unsere Späße nur dann weiter, wenn sie angenommen werden. Es ist sehr situativ – und das ist auch das Spannende daran. Wir können uns nicht zu 100 Prozent auf irgendwas vorbereiten. Das ist manchmal auch herausfordernd.

Thematisiert ihr die Themen Krankheit und Tod?

Tutti Rutti: Ja, natürlich. In unserer Clowns-Ausbildung waren Tod und Trauer ein ganz großer Teil. Ein Clown darf auch tieftraurig sein. Wichtig ist, dass es authentisch ist und nicht aufgesetzt.

Peperino: Man kann das Traurig sein auch spielen. Wenn ein Clown traurig ist, versuchen viele Kinder, ihn zu trösten. Das macht was mit den Kindern.

Wie geht ihr persönlich mit den schlimmen Schicksalen um, die ihr erlebt?

Peperino: Mir hilft der Austausch nach einem Einsatz. Denn wir sind als Clowns in der Regel zu zweit unterwegs. Grundsätzlich komme ich aber immer erfüllt aus einem Einsatz heraus: Denn auch man selbst ist der Beschenkte.

Tutti Rutti: Wenn wir wollen, erhalten wir über den Kinder- und Jugendhospizdienst Supervision. In den vergangenen 20 Jahren habe ich diese zweimal gebraucht, nachdem Kinder verstorben waren. Aber generell ist es so, dass mich jeder Besuch in einer Familie erdet. Meine Probleme werden dann ganz klein. Das lässt mich dankbar werden für das, was ich habe und auch dafür, dass ich diesen Clown in mir trage – dass ich etwas von mir geben kann, was mir nicht schwerfällt. Deshalb bin ich auch so gerne als Clown unterwegs.

Das sind die Personen hinter den Clowns

Ruth Schmid aus Nürtingen und Gregor Spittel aus Holzmaden sind seit 20 Jahren im Kreis Esslingen ehrenamtlich als Clowns für den Kinder- und Jugendhospizdienst Kirchheim unterwegs. Die 60-Jährige arbeitet hauptberuflich als Fachlehrerin an der Bodelschwingh-Schule in Göppingen, einer Schule für geistig und körperlich behinderte Kinder. Der 56-Jährige ist als Ingenieur bei der Firma Keller in Jesingen tätig. Zu Beginn ihrer Clownsarbeit haben beide einen Clowns-Kurs besucht. Auch aktuell bietet der Kinder- und Jungendhospizdienst einen Clowns-Kurs an. Die Clowns besuchen Kinder mit lebensbedrohlicher Erkrankung sowie Kinder, die den Verlust eines Elternteils oder nahen Angehörigen erleben müssen. hei