Der Schlüsselsatz geht den meisten Müttern nicht leicht über die Lippen: „Ich schaffe es nicht mehr.“ Auch Nathalie Hörster brauchte eine Zeit, bis sie das sagen konnte. Es war vor drei Jahren, kurz nach einer komplizierten Kiefer-Operation, als die 32-Jährige das Gefühl hatte, dass ihre Kräfte schwinden. Ihre drei Kinder waren damals acht, fünf und ein Jahr alt, ihr Mann als Alleinverdiener den ganzen Tag unterwegs. „Alleinerziehend mit Mann“, nennt sie diesen Zustand und kann heute darüber lachen. Nathalie Hörster stammt aus dem Schwarzwald, in Kirchheim hatte sie keine Familienmitglieder vor Ort, die mal einspringen konnten, wenn sie krank war. „Ich spürte völlige Erschöpfung und war toujours gestresst.“
Ein Angebot wie die Vesperkirche kam ihr da sehr gelegen. „Es war schön, einmal nicht kochen zu müssen“, erzählt sie. Der Besuch erwies sich für sie als ein Glücksfall, denn zufällig lernte sie dort Claudia Brendel kennen. Die ist bei der Diakonischen Bezirksstelle Kirchheim für die Kurberatung von Müttern und Vätern zuständig. „Viele der Frauen sind berufstätig, pendeln zwischen Kinderbetreuung und Job, teilweise sind sie alleinerziehend, ein Netzwerk fehlt. Sie sehen sich als Rabenmutter, die ihren verschiedenen Verpflichtungen nicht mehr gerecht wird“, erzählt Claudia Brendel aus ihrer Praxis. „Ein erstes Gespräch bei einer Beratungsstelle macht immer Sinn“, ergänzt Carina Wegner von der Evangelischen Müttergenesung Baden-Württemberg. „Unter Umständen sind später die ärztlichen Atteste nicht so ausgefüllt, dass die mütterspezifische Belastung deutlich wird.“ Denn darauf kommt es an, wenn die Kur von der Krankenkasse bezahlt werden soll.
Es kommt auf die Formulierung an
In ihrem ersten Beratungsgespräch mit Nathalie Hörster wurde Claudia Brendel schnell klar, dass die junge Mutter dringend eine Kur braucht. Sie erklärte ihr ausführlich, welche Informationen für den Hausarzt wichtig sind. Für die Dreifach-Mutter war das merkwürdig: „Da kam ich mir schon komisch vor. Ich habe gedacht: Ich hab doch gar nichts.“ Doch auch ihr Hausarzt machte ihr später klar, dass eine Überlastung völlig normal für eine junge Frau mit Kindern sei und dass alle Mütter regelmäßig eine Kur machen sollten. Davon profitiere auch die Gesellschaft.
Als die ärztliche Diagnose stand, half ihr Claudia Brendel bei der Auswahl der Einrichtung und beim Antrag für die Krankenkasse. „Denn da kommt es manchmal auf die richtige Formulierung an“, sagt sie. „In elf Prozent der Fälle kommt eine Absage“, weiß Reinhard Eberst, Leiter der Diakonischen Bezirksstelle Kirchheim. Aber auch dann solle man auf jeden Fall Einspruch einlegen, am besten in Zusammenarbeit mit der Beratungsstelle. Das war bei Nathalie Hörster aber ohnehin nicht notwendig, sie wurde ohne Umschweife mit ihren drei Kindern für drei Wochen in die Mutter-Kind-Kurklinik Loßburg in den Schwarzwald geschickt.
Dort lernte die junge Mutter, sich wieder selbst wahrzunehmen. „Man steht auf und setzt sich an einen gedeckten Frühstückstisch, das hat schon unheimlich geholfen“, erzählt sie. „Ich hab sogar eine Gesprächstherapie gemacht, obwohl ich das erst gar nicht wollte.“ Sport, Nordic-Walking oder Yoga standen ebenso auf dem Programm wie Besinnung und Gebete, die Kinder wurden in der Zeit betreut. „Dass es eine evangelische Einrichtung war, spielte für mich auch eine Rolle. Einen Brief hat sie damals an sich selbst geschrieben, in dem sie formulierte, wie es ihr ging und was sie künftig besser machen will. Wann sie ihn liest, kann sie selbst bestimmen. „Bislang habe ich es noch nicht getan“, gibt sie zu. „Ich habe noch nicht so viel umgesetzt.“ Aber was nicht ist, kann noch werden, vielleicht nach der nächsten Kur. Einen Anspruch darauf hat sie nach vier Jahren, und die sind bald herum. „Ich würde sofort wieder eine machen“, sagt sie.