Kirchheim. Was macht eine „Kontaktgruppe“, wenn im ganzen Land eine Kontaktsperre gilt? Die rund 15 Mitglieder der Kontaktgruppe des Sozialpsychiatrischen Diensts Kirchheim sind sehr viel stärker auf ihre wöchentlichen Treffen angewiesen als die Mitglieder eines Sportvereins. Unter dem Dach der Diakonischen Bezirksstelle treffen sich in der Gruppe Menschen mit psychischen Erkrankungen. Für viele ist der Dienstagabend die einzige Möglichkeit, mit anderen Menschen zusammenzukommen. Zudem gibt ihnen die Gruppe schon seit Jahren Geborgenheit.
Dorothee Ostertag-Sigler, die Leiterin der Gruppe, versucht - so gut es geht - telefonisch mit allen in Kontakt zu bleiben: „Wenn die Leute allein gelassen werden, wäre es jetzt besonders schlimm, in einer Zeit, in der Angst und Panik verbreitet wird.“ Viele ihrer Schützlinge leiden auch ohne Corona-Pandemie an Angststörungen. „Für die ist das richtig brutal.“ Hinzu kommt, dass das Telefon zwar ein wichtiges Kommunikationsmittel ist, aber eben doch einen entscheidenden Nachteil hat: „Es ersetzt das persönliche Gespräch nicht immer adäquat.“
Einsamkeit als großes Problem
Auch ohne psychische Erkrankung ist Einsamkeit oft nur schwer zu ertragen: „Es gibt Menschen, die darauf sehr sensibel reagieren“, sagt Dorothee Ostertag-Sigler. Wenn jetzt jemandem ihrer Gruppenmitglieder das gesamte Umfeld wegbreche, weil er nicht mehr zur Arbeit kann und weil auch noch die Kontaktgruppe ausfällt - „dann sind das schon Schicksale, die einem nahegehen“.
Trotzdem sucht die Gruppenleiterin auch noch das Gute in der aktuellen Krisensituation: „Die Situation kam ja nicht von jetzt auf nachher. Ich konnte die Leute vorbereiten. Wir haben Gespräche geführt und dabei nach ihren eigenen Ressourcen gesucht. Wir haben aufgeschrieben, was jeder Einzelne machen kann. Sie können das dann immer wieder nachlesen. Das ist besser, als wenn wir es nur mündlich besprochen hätten.“
Ihre Telefonate - auch die Beratungsgespräche außerhalb der Kontaktgruppe - versucht Dorothee Ostertag-Sigler in Zeiten der Coronakrise besser zu verteilen: „Lieber zwei bis drei Mal in der Woche etwas kürzer als nur ein Mal in der Woche gleich für zwei Stunden.“ Per Diensthandy ist sie auch erreichbar, wenn jemand von sich aus das Gespräch sucht.
Auch sie spricht von der Krise als Chance: „Vielleicht hilft es ja dem einen oder anderen, zu erkennen, dass auch Menschen ohne psychische Erkrankung jetzt Schwächen und Verunsicherung zeigen, dass wir alle im selben Boot sitzen.“ Vielleicht gelinge es auch, dass jemand seine Ressourcen besser nutzen kann und dadurch sogar gestärkt aus der Krise hervorgeht. Andreas Volz