Kirchheim
„Manche wollen einfach nur irgendein Tier“

Corona In Zeiten der Pandemie steigt die Nachfrage nach vierbeinigen Familienmitgliedern. Diesen Trend spürt auch das Kirchheimer Tierheim. Von Sandra Langguth

Es ist Nachmittag. Die Tür zum Garten steht offen. Die drei Kinder spielen hinter dem Haus, Vater Mathias Mezei renoviert im Erdgeschoss die Wohnung. Als am Abend alle im Bett liegen, fehlt nur eine: Katze Cucu. Buket Büyüktokatli-Mezei macht sich Sorgen. „Sie wird doch nicht schon wieder weggelaufen sein?“ Bereits beim ersten Lockdown zog es die zehnjährige Katzendame nicht mehr nach Hause. Da fehlte sie fast ein halbes Jahr. Nun, beim zweiten, kehrte die zarte Mieze der Familie erneut den Rücken. „Ich hatte echt Angst um sie, weil es zum Teil bitterkalt war“, berichtet die 40-Jährige. Beide Male wurde Cucu im Kirchheimer Tierheim abgegeben, wohlauf und kerngesund. „Wir glauben, sie fühlt sich bei uns einfach nicht mehr wohl. Durch den Lockdown waren die Kinder den ganzen Tag daheim. Das ist ihr zu viel. Corona hat auch den Alltag der Tiere durcheinander gebracht“, ist sich die dreifache Mutter sicher.

Die Auswirkungen der Pandemie auf Haustiere hat Tierheimleiterin Sandra Nebe in den vergangenen Monaten hautnah miterlebt. Gerade jetzt, wo alles zum zweiten Mal geschlossen wurde, habe die Nachfrage nach einem Tier zugenommen. „Die Menschen wollen nicht mehr so viel allein sein“, ist sich die 45-Jährige sicher. Doch während sich sonst vor allem Ältere einen vierbeinigen Partner wünschten, seien jetzt auch viele junge Leute gekommen. „Da ist scheinbar einfach zu wenig los in der Bude.“ Manche Katzen stünden gerade mal eine Stunde auf der Homepage des Tierheims, da klingle schon das Telefon. „Unser Cooper, ein Britisch-Kurzhaar-Kater, kam auf 20 Anfragen“, berichtet Sandra Nebe. Die Kaninchen, die im Kirchheimer Tierheim übergangsweise ein Zuhause finden, seien vor allem im vergangenen Sommer heiß begehrt gewesen. „Das Wetter war schön und viele wollten eins für ihre Kinder. Im Moment möchte keiner mehr welche.“ Stattdessen werde beim Verein „Moppel Hoppel“ in Albershausen fast jede Woche ein Tier in der Notfallklappe abgegeben.

Um so etwas zu verhindern, ist das Vermittlungs-Prozedere des Kirchheimer Tierheimes recht umfangreich und aufwendig. „Manche rufen an und wollen einfach nur irgendein Tier. Das ist doch irre. Es hat auch schon jemand geklingelt und gemeint, er möchte jetzt sofort ein Tier als Geburtstagsgeschenk mitnehmen“, schüttelt Sandra Nebe den Kopf. Auch Fragen nach dem Preis für eine Katze, mit der Begründung, im Internet seien diese gerade so teuer, findet sie absurd. Wie reißend der Absatz derzeit ist, kann sie mit Zahlen belegen, denn von den 40 Katzen, die zuletzt noch im Tierheim weilten, sind schon 21 weg. „Dass wir wegen Corona gerade nur Einzeltermine machen und keine allgemeinen Öffnungszeiten mehr haben, finde ich sogar ganz angenehm“, verrät die 45-Jährige. „Wir hatten früher Nachmittage, an denen 20 bis 30 Leute hier im Gang standen und jeder zu einer anderen Katze wollte“, berichtet Sandra Nebe, die auch gerne irgendwann Hunde aufnehmen würde. „Wir haben zwar einen Zwinger, aber uns fehlt noch das nötige Geld.“ Doch auch ohne eigene Hunde bekommt die Leiterin mit, dass diese im Lockdown genauso gefragt sind wie andere Tiere. „Was da gerade mit Welpen aus dem Internet passiert, geht nicht gut. Vielleicht haben die Menschen jetzt mehr Zeit, aber wenn sie wieder zur Arbeit müssen, ist das Tier zehn Stunden allein.“ Im Jahr 2020 haben die Hunde-Anmeldungen in Kirchheim um 60 auf 1409 zugenommen. Tendenz steigend. In Nürtingen waren es laut Stadtverwaltung mit 214 Hunden 13 mehr als im Vorjahr. Zumindest an den Kirchheimer Hundesportfreunden ist der Trend vorbeigegangen. „Uns ist bekannt, dass in letzter Zeit viele Hunde gekauft wurden. Da es aber keine Verpflichtung gibt, in eine Hundeschule zu gehen, kommen eh nur die, die das wirklich wollen“, weiß der Vorsitzende Yannic Hägele. Er ist gespannt, wie sich die Situation entwickelt. „Wenn in der Hunde-Erziehung richtig was verrutscht ist, muss sich derjenige ohnehin an eine professionelle Hundeschule wenden. Da hilft dann auch eine Einzelbetreuung weiter.“

Welche langfristigen Auswirkungen die Pandemie hat, wird sich erst noch zeigen. Für Katze Cucu fänden sich jedenfalls zahlreiche Abnehmer. Die Katzendame darf jetzt aber erst mal bei ihrer Familie bleiben. Im Moment haben die Kitas ja wieder geöffnet.