Auf den ersten Blick ist alles wie immer in der Kirchheimer Fußgängerzone. Menschen hasten durch den Regen, die Maske am Arm, in der Hand, unterm Kinn. Streng genommen könnten sie seit Sonntag auf dieses Accessoire verzichten: In den meisten Bereichen des öffentlichen Lebens gibt es keine Masken-Pflicht mehr. Nach zwei Jahren Pandemie ist etwas erlaubt, was lange Zeit undenkbar schien: Geschäfte und Cafés betreten, ohne Mund und Nase zu bedecken. Doch wie sieht es in der Praxis aus? Machen die Kirchheimerinnen und Kirchheimer von ihrem Recht Gebrauch, oder tragen sie weiterhin Maske, um sich und andere zu schützen?
Vor der Bäckerei Kienzle am Kirchheimer Rathaus steht Kai Feit in Radler-Klamotten und wärmt sich mit einem Kaffee auf, bevor er weiter zu seinem Arbeitsplatz auf dem Michaelshof fährt. Um sich das Getränk zu holen, hat der Mann mit dem Vollbart seine FFP-2-Maske getragen, obwohl er es nicht muss. Als Grund nennt er eine Mischung aus Gewohnheit und Vernunft. „Es ist ja nicht so schlau, gerade jetzt keine mehr zu tragen“, sagt der Sozialpädagoge mit Blick auf die hohen Ansteckungszahlen. Die Mitarbeiterinnen der Bäckerei tragen ebenfalls Masken. „Das wurde vom Betrieb so angeordnet“, sagt Sandra Veccio. Die Kienzle-Mitarbeiterin ist froh darüber, schließlich arbeiten sie und ihre Kolleginnen eng beieinander. Auch privat möchte sie weiterhin Maske tragen. „Mir ist das momentan noch zu unsicher“, sagt sie.
Auch im Buchcafé Aroma ist vom Ende der Maskenpflicht noch nicht viel zu spüren. Das obligatorische Schild, das in den vergangenen zwei Jahren an fast jeder Tür hing, fehlt zwar. Die Mitarbeiterinnen tragen jedoch Mund-Nasen-Schutz, und auch die allermeisten Gäste kramen in ihren Taschen und setzen eine Maske auf, bevor sie das Café betreten. Inhaber Ralf Bauer sagt, er spüre eine gewisse Unsicherheit bei den Kunden. „Viele fragen: Was gilt denn jetzt bei euch?“ Persönlich fände er es gut, wenn alle weiterhin Maske tragen würden. Bauer plant, ein Schild mit der entsprechenden Bitte aufzuhängen, ist aber noch unsicher, wie er sie formulieren soll. Von seinem Hausrecht Gebrauch machen und die Kunden dazu verpflichten, will er nicht.
Auch im Modehaus Fischer will man es den Kundinnen und Kunden überlassen, ob sie Maske tragen oder nicht. „Beim Verkaufsoffenen Sonntag waren 20 bis 30 Prozent ohne Maske unterwegs. Wir hätten gedacht, dass es weniger sind“, sagt Fischer-Mitarbeiter Kapriel Cakmak. Er ist – ebenso wie alle anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – konsequent mit Maske unterwegs, auch wenn er es nicht mehr muss. Schließlich ist Abstand halten bei der Beratung nicht immer möglich. „Wir wollen uns und unsere Kunden schützen. Außerdem hoffen wir, dass wir auf diese Weise größere Krankheitsausfälle verhindern können“, sagt Cakmak.
Im „Edeka-Center Narin“ im Nanz-Center ist das Schild, das auf die Pflicht, eine FFP-Maske zu tragen hinweist, einem anderen Schild gewichen: „Tragen Sie eine medizinische Maske. Wir empfehlen das Tragen einer FFP2-Maske“, steht darauf. Daneben ein kleiner Aufkleber, auf dem „Empfehlung!!!“ steht. Ein Blick in den Supermarkt zeigt: Die Menschen, die keine Maske tragen, sind in der Minderheit. Das beobachtet auch Inhaber Ali Narin. „80 Prozent der Kunden tragen Maske“, sagt er. Von seinem Hausrecht Gebrauch machen und das Maske tragen weiterhin zur Pflicht machen, lehnt er ab. „Die Bevormundung ist jetzt vorbei“, sagt er. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssten hingegen weiterhin Maske tragen. „Das ist was anderes, da greift der Arbeitsschutz“, sagt er.
An der Tür der Kirchheimer Kreissparkassen-Filiale hängen rote Schilder: „Bitte FFP-Maske tragen“. Ein junger Mann, der eine schwarze OP-Maske trägt, zögert kurz und geht dann trotzdem hinein. Auch die Kreissparkasse überlässt die Entscheidung ihren Kunden. „Lediglich bei längeren Beratung bestehen wir weiter darauf, dass unsere Kunden eine Maske tragen“, sagt Pressesprecher Ulrich Unger. Sollte sich der Kunde gegen die Nutzung einer Maske entscheiden, werde der Termin online oder telefonisch durchgeführt.