Kirchheim
Mensa-Essen in Kirchheim: Fleisch ist die Ausnahme

Essen Bei der Verpflegung der Schul- und Kita-Kinder geht die Stadt Kirchheim seit diesem Schuljahr neue Wege. Was hat sich geändert? Und schmeckt es den Kindern jetzt besser? Von Antje Dörr

In der Mensa der Konrad-Widerholt-Grundschule ist Mittagessenszeit. Grüppchenweise drängen Jungen und Mädchen durch die Glastür in den großen, hellen Raum und stellen sich an der Essensausgabe an. Heute gibt es Kässpätzle und als Fleisch-Variante Putengeschnetzeltes mit Spätzle, dazu Endiviensalat und zum Nachtisch Schokopudding. Mit ihren Freunden lassen sich die Jungen und Mädchen an den langen Tischen nieder und machen sich über ihr Mittagessen her. Offenbar schmeckt es: Wohin man blickt, überall zufriedene Gesichter und rasch geleerte Teller. 

Für Gaspare Ciaccio ist das Grund zur Freude. Der gelernte Koch hat die Küchenleitung inne und weiß, was die Augen der Schülerinnen, Schüler und Kita-Kinder der Teckstadt zum Leuchten bringt. Putengeschnetzeltes und Kässpätzle gehören offenbar dazu. Kürbisstampf und gefüllte Paprika hingegen nicht so sehr. Was die Kinder mehrheitlich nicht mögen, taucht auch nicht mehr auf dem Speiseplan auf, den Ciaccio alle sechs Wochen veröffentlicht, seit die Stadt Kirchheim die Verpflegung der Schul- und Kindergartenkinder vom Kopf auf die Füße gestellt hat. 

 

Es gilt, die Kinder auf einer Skala von „schmeckt gut“ bis „ist gesund“ zufriedenzustellen.
Marco Wanzke, Stadt Kirchheim
 

Seit diesem Schuljahr ist nämlich alles anders in den Küchen der Kirchheimer Schulen und Kitas. Während bis dahin der Tiefkühlhersteller Apetito fertige Menüs anlieferte, kommen die Essens-Komponenten seit nunmehr vier Monaten von mehrheitlich regionalen Herstellern und werden je nach Standort in Kombi-Dämpfern, Konvektomaten und heißen Wasserbecken erhitzt. Beispielsweise liefern die Metzgereien Ebensperger und Frick das Putengeschnetzelte, das die Schülerinnen und Schüler sich an diesem Tag schmecken lassen. Der Salat stammt von einem Lieferanten aus Stuttgart, die Kässpätzle von Apetito, der mit einigen Komponenten weiterhin im Händler-Pool vertreten ist. Anfangs habe es an vielen Stellen gehakt, sagt Bürgermeisterin Christine Kullen. „Jetzt läuft es aber.“

In der Mensa der KW-Grundschule stehen Kinder für ihr Mittagessen Schlange. Foto: Carsten Riedl

Dass die Komponenten einzeln und nicht in Menüschalen erhitzt werden, verbessere den Geschmack des Essens enorm, sagt Erwin Evers vom Beratungsunternehmen ods, das die Stadt Kirchheim bei der Systemumstellung begleitet hat. „Damit ein Schnitzel knusprig wird, braucht man trockene Hitze. Der Brokkoli hingegen wird mit Dampf erhitzt“, nennt er ein Beispiel. Matschige Nudeln oder Gemüse, das seine grüne Farbe längst verloren hat, gehören damit ebenfalls der Vergangenheit an – zumindest dann, wenn die Geräte richtig bedient werden.

Tatsächlich scheint das neue Essen bei den Schülerinnen und Schülern besser anzukommen. Laut Gesamtelternbeirat sind die Rückmeldungen der Eltern fast nur positiv. „Beim Fachforum Schule haben wir von den Schulleitern das Feedback bekommen, dass es den Kindern deutlich besser schmeckt“, sagt auch Christine Kullen, die stolz und glücklich über die gelungene Umstellung ist. Doch Geschmack ist nicht das einzige Kriterium. Das Mittagessen soll ausgewogen sein, ist es doch für viele Kinder, die ganztags betreut werden, die einzige warme Mahlzeit. Natürlich stehen auch mal Gerichte wie Germknödel mit Vanillesoße auf dem Speiseplan, die eher mit Geschmack als mit Nährstoffen punkten. „Da schauen wir dann aber, dass Salat oder Gemüsesuppe dabei ist oder Obst als Nachtisch“, sagt Marco Wanzke, stellvertretender Leiter des Amts für Schulen und Sport. 

Neu ist außerdem, dass vegetarische Mittagessen die Regel sind und Fleisch beziehungsweise Fisch die Ausnahme. „Fleisch oder Fisch gibt es nur zwei Mal in der Woche“, sagt Wanzke. Das hat zum einen finanzielle Gründe: Im ersten Jahr kostet das Mittagessen 3,82 Euro – ein vergleichsweise günstiger Preis, der sich laut Wanzke aber nur durch eine Mischkalkulation erreichen und halten lässt. Mehr Fleisch würde höhere Kosten bedeuten. Auch die Rücksichtnahme auf Kinder, die aus religiösen Gründen bestimmte Fleischsorten nicht verzehren dürfen, spielt eine Rolle. Und nicht zuletzt hat die Stadt Kirchheim den Anspruch, das Klima möglichst wenig zu belasten – ein weiteres Argument für wenig Fleisch und Fisch. Wer sich den Speiseplan genau ansieht, kann bei jedem Gericht Wasserverbrauch und CO2-Ausstoß ablesen. 

Dass der Preis so niedrig ist, liegt daran, dass das Mittagessen stark subventioniert wird. Nur der Preis der Waren werde an die Eltern weitergegeben, sagt Marco Wanzke. Den Rest bezahlt die Stadt. Christine Kullen schränkt jedoch ein: „Der Preis wird in den kommenden Jahren sicherlich steigen müssen.“ Bis zum Ende des Schuljahrs bleibt es jedoch bei den 3,82 Euro. Kinder von Bürgergeld-Beziehern oder Stadtpass-Inhaberinnen essen kostenlos.

Aktuell ist Till Freiberger, ein gelernter Koch, den die Stadt Kirchheim als Leiter für den Bereich Mensen gewinnen konnte, auf der Suche nach einer App, mit der das Mittagessen von Eltern bestellt und bezahlt werden kann. Damit will die Stadt dem Wunsch der Eltern entsprechen sowie Schulsekretariate, Stadtkasse und pädagogische Mitarbeiterinnen entlasten, über die die Bestellung, Abbestellung und Bezahlung aktuell läuft. „Wir hoffen, dass wir zu Beginn des nächsten Schuljahrs mit einem Pilotprojekt an einzelnen Schulen starten können“, sagt Christine Kullen. Mit einer flächendeckenden Einführung rechnet sie jedoch erst 2025.

Solche Details sind den Schülerinnen und Schülern, die mittlerweile fertig gegessen haben, reichlich wurscht. Sie freuen sich auf die nächsten Spätzle mit Putengeschnetzeltem, die es in etwa sechs Wochen gibt, dann aber an einem anderen Tag, damit alle Schülerinnen und Schüler mal die Chance auf ihre Lieblingsmahlzeit haben. Dass der Speiseplan sich alle sechs Wochen wiederholt, daraus machen Marco Wanzke und Gaspare Ciaccio keinen Hehl. „Die Kinder freut das. Die wollen das so“, sagt Wanzke.

 

Wie das Essen zu den Kindern kommt

Täglich müssen in Kirchheims 13 Schulen und 16 Kitas 1100 bis 1400 Kinder mit Mittagessen versorgt werden – Tendenz steigend. Die Gymnasien haben nach wie vor ihre eigenen Mensen. 

Insgesamt gibt es vier Cluster-Küchen, in denen städtisches Küchenpersonal das Essen für die eigene Einrichtung, aber auch für weitere Schulen und Kitas vorbereitet. Sie befinden sich auf dem Campus Rauner, in der Teck-Kita, der Eduard-Mörike-Schule in Ötlingen sowie in der Jesinger Grundschule. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) fährt das Essen in Styropor-Boxenzu den Einrichtungen. Drei Schulen, nämlich die Grundschule in Nabern, die Alleenschule und die Freihof-Schule verfügen über Selbstversorger-Küchen und müssen nicht von Cluster-Küchen versorgt werden.

Aktuell suchen die pädagogischen Fachkräfte gemeinsam mit den Kindern anhand der Speisepläne die gewünschten Mittagessen aus und geben die Bestellungen an die Küchenleitung weiter. adö