Politik
Merz und die Brandmauer: Das meint die Basis in Kirchheim und Umgebung

Mitten im Wahlkampf stellt CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz im Bundestag einen Antrag zur Begrenzung der Migration. Mit Stimmen der AfD bekommt er eine Mehrheit. Ein Tabubruch? Das denken Politikerinnen und Politiker vor Ort.

Der Richtige zur richtigen Zeit? Nach seiner Initiative hat Friedrich Merz viel Kritik geerntet, teilweise auch aus den eigenen Reihen.  Foto: Bianca Lütz-Holoch

Folgende Fragen wurden den vier Politikerinnen und Politikern gestellt: 1. Halten Sie es für den richtigen Zeitpunkt, das Thema vor der Wahl auf den Tisch zu bringen? 2. Halten Sie die Vorgehensweise für zielführend? 3. Können Sie inhaltlich mitgehen oder nur in bestimmten Punkten? 4. Ist es ein „Einreißen der Brandmauer“, wenn man die Zustimmung der AfD in Kauf nimmt oder ist das Ziel wichtiger? 5. Würden Sie Migration auch als das wichtigste Wahlkampf-Thema ansehen?

 

Natalie Pfau-Weller, Landtagsabgeordnete

„Ich halte den Zeitpunkt für angemessen. Die jüngsten schrecklichen Gewalttaten wie in Aschaffenburg zeigen, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Wir als CDU setzen uns entschieden dafür ein, dass solche Taten nicht als neue Normalität in Deutschland akzeptiert werden.“

Es ist bedauerlich, dass die CDU in den vergangenen drei Jahren keine gemeinsame Lösung mit der von Olaf Scholz geführten Bundesregierung erzielen konnte. Persönlich hätte ich mir gewünscht, dass wir den Fünf-Punkte-Plan gemeinsam mit der SPD verabschieden. Leider wurde dies durch den Wahlkampf erschwert.

Ich unterstütze den Antrag „Fünf Punkte für sichere Grenzen und das Ende der illegalen Migration“ in vollem Umfang. Einige Maßnahmen daraus, wie die vorübergehenden Grenzkontrollen an Deutschlands Außengrenzen, wurden bereits von Bundesinnenministerin Faeser (SPD) umgesetzt. Beim zweiten Antrag der Unionsfraktion, der weitreichende Reformen in der Migrationspolitik fordert, sehe ich einige Punkte jedoch kritischer.

Ich verstehe die Kritik und fand die Bilder der feiernden AfD-Abgeordneten im Bundestag ebenfalls schwer erträglich. Mir wäre es lieber gewesen, wenn die SPD zugestimmt hätte, anstatt dass die AfD zur Mehrheitsbeschaffung beiträgt. Was ich jedoch nicht nachvollziehen kann, sind die Vergleiche mit dem Nationalsozialismus. In diesem Fall halte ich das Sachthema für vorrangig.

Migration ist eines der zentralen Themen, aber nicht das einzige. Gerade in Kombination mit wirtschaftlichen Herausforderungen gehört es zu den drängendsten Fragen.

 

Matthias Hiller, Bundestagskandidat im Wahlkreis Nürtingen

Ich unterstütze das Vorhaben unseres Kanzlerkandidaten und der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Die Migrations- und Asylpolitik stellt unser Land schon seit vielen Jahren vor große Herausforderungen. Klar muss sein, wer nach den Grundsätzen unseres Grundgesetzes Schutz sucht, der bekommt ihn in unserem Land. Auch Fachkräfte sind bei uns herzlich willkommen. Allerdings muss die irreguläre Migration umfassend und umgehend begrenzt werden. Der Schutz vor Gewalt, Terror und Kriminalität ist zentrale Aufgabe des Staates. In diesem Kontext stehen auch die Anträge der CDU der letzten Woche. Die Begrenzung der irregulären Migration ist sicherlich nach der Stärkung der Wirtschaft und dem Abbau von Bürokratie ein sehr wichtiges Thema.

Die CDU hat mit ihren Initiativen auf eine Zustimmung der ehemaligen Ampel-Parteien abgezielt. Die FDP hat sich einer Wende bei der Asylpolitik geöffnet, SPD und Grüne nicht. Eine Zusammenarbeit mit der AfD ist weder geplant, noch wollen wir Mehrheiten mit der AfD erreichen. Es kann aber auch nicht sein, dass wir unsere Anträge danach richten, ob SPD und Grüne zustimmen und damit unsere Aufgabe als Partei aufgeben. In den letzten fünf Jahren gab es alleine im Landtag von Nord-rhein-Westfalen 15 Abstimmungen, bei denen die SPD und die AfD zusammengestimmt haben.

Der Antrag, der am Freitag zur Abstimmung gestanden hat, wurde im September 2024 eingereicht – also vor fünf Monaten. Zum damaligen Zeitpunkt war der Termin für die nächste Bundestagswahl September 2025. Es hätte für die anderen Parteien also eigentlich ein Jahr Zeit gegeben, eine Position zu diesem Antrag zu entwickeln. Durch das Scheitern der Ampelregierung und den vorgezogenen Neuwahlen, was im Zeitpunkt des Einreichens des Antrags noch nicht bekannt war, ist diese Zeit nun auf fünf Monate verkürzt worden.

Mir selbst hat die Abstimmung mit der AfD auch nicht gefallen. Die Haltung der AfD zur Nato, EU und zur USA stehen im kompletten Gegensatz zu meiner Haltung. Aber man kann von der CDU auch nicht erwarten, dass sie selbst ihre Politik einfriert und keine Vorschläge einbringt, nur, weil SPD und Grüne dieses Thema bewusst ignorieren. Beide Parteien hatten nun fünf Monate Zeit den CDU-Gesetzesentwurf zu prüfen oder Gegenvorschläge einzureichen, was allerdings nicht passiert ist. Dies ist schlicht eine Verweigerungshaltung, welche unserem Land schadet.

 

Dieter Franz Hoff, Mitglied des Gemeinderats in Kirchheim

Ich hätte mir gewünscht, dass die aktuelle Ampel-Regierung unter Olaf Scholz das Thema der unkontrollierten Migration und die damit verbundene Zunahme von Gewalttaten in unserem Land schon vor Wochen auf den „Tisch“ und damit ins Parlament gebracht hätte. Es passierte leider nichts. Diese Thema ist viel zu ernst, als dass es nun mit dem Wahltermin verknüpft wird.

Es ist wichtig, dass wir den Menschen und unserem Land Hoffnung geben, dass wir es ernst meinen und uns in einer neuen Regierung nicht aus der Verantwortung stehlen wollen. Die Ampelregierung mit und ohne die FDP hat bisher keinerlei Vorschläge unterbreitet, wie wir den aktuell negativen Veränderungen in unserer Gesellschaft entgegen treten können. Der Bürger muss vor der Wahl wissen, wer sich nach der Wahl um die Sicherheit in unserer Gesellschaft kümmert.

Ich kann inhaltlich dem Fünf-Punkte-Plan weitgehend folgen. Wir müssen endlich die illegale Migration in unser Land stoppen. Es kann nach all den aktuellen Gewalttaten kein „weiter so“ geben. Ich bin jedoch auch der Meinung, dass die CDU das „C“ in ihrem Namen gerade jetzt nicht vernachlässigen darf. Es ist für mein politisches Denken und Handeln immer eine Richtschnur und ein Maßstab, den ich auch in diesem Kontext anwenden werde.

Ich hätte mir gewünscht, dass die Regierungsparteien und insbesondere die SPD zu einer Mehrheit beigetragen hätten. Lars Klingbeil hat am vergangenen Sonntag in „Berlin direkt“ für mich überraschend angekündigt, noch vor der Bundestagswahl einen Gesetzentwurf zur Begrenzung der Migration einzubringen. Warum kommt er jetzt auf einmal damit „um die Ecke“?

Das wichtigste Thema ist, dass die Wirtschaft in unserem Land wieder in Ordnung gebracht wird. Wir benötigen einen Neustart in der Wirtschaftspolitik und müssen wieder zu unseren alten Tugenden zurück finden. In Deutschland muss wieder vorrangig an die Schaffung von Arbeitsplätzen gedacht und der Weg zurück zu Wirtschaftswachstum gefunden werden. Nur das wird wieder zum sozialen Frieden beitragen.

 

Giancarlo Crescente, Vorsitzender Gebietsverband CDU Teck

Wir blicken auf eine Reihe schrecklicher Taten. Das Unheil für die Betroffenen und insbesondere deren Angehörigen ist kaum in Worte zu fassen. Es muss unser gemeinsames Ziel sein, keine weitere Zeit verstreichen zu lassen. Die Leute sind es satt, Beileidsbekundungen oder hole Worthülsen zu hören. Daher ist es angebracht, konkret und unverzüglich zu handeln. Jeder Tag mit mehr innerer Sicherheit für die Menschen in diesem Land, ist ein guter.

Der Fünf-Punkte-Plan ist die logische und sachlich richtige Konsequent einer besseren Migrationspolitik. Das oberste Ziel von Migrationspolitik muss stets die Integration von Menschen sein. Diese Integration kann seit Jahren aufgrund einer systematischen Überforderung unserer Gesellschaft nicht in ausreichendem Maße gewährleistet werden. Daher ist eine bessere Ordnung, aber auch eine Begrenzung der Migrationsströme zwingend notwendig. Nicht, weil man diese Menschen nicht im Land haben möchte, sondern um allen Willigen eine bestmögliche Integration zu ermöglichen.

Eine Zusammenarbeit oder gar eine Koalition mit der AfD hat und wird es nicht geben. Wer Reden von Spitzenpolitikern wie Alice Weidel hört, muss zum Entschluss kommen, dass mit diesen Extremisten keine gemeinsame Sache zu machen ist.

Der inhaltlich absolut richtige Antrag wird aber nicht falsch, nur weil die Falschen zustimmen. Meines Erachtens bieten wir durch die derzeitige Debatte der AfD eine deutlich zu große Bühne. Wir sollten doch die Frage stellen: Wo lassen wir uns mehr zum Spielball machen? Einen Antrag aus inhaltlicher Überzeugung zu stellen ist tief demokratisch. Das Vorgehen halte ich daher für angemessen.

Gleichwohl bedauere ich es sehr, dass für diese Mehrheit die Stimmen der AfD nötig waren. Diesem Thema hätten sich bereits zuvor die Parteien der politischen Mitte annehmen sollen: Die beinah fahrlässige Realitätsverweigerung von Grünen und der SPD in den letzten Jahren ist nicht mehr länger hinnehmbar. Das konkrete und umgehende Handeln von Herrn Merz halte ich daher für richtig. Die Brandmauer zur AfD ist und wird nicht eingerissen.

Das Thema Migration gehört sicherlich zu den wichtigsten Themen. Es muss aber stets im Gesamtkontext mit anderen Themen – wie wirtschaftlichen Auswirkungen – gesehen werden. Ich sehe das Thema allerdings nicht als „Wahlkampf-Thema“ an, sondern viel mehr als eines, was den Menschen in Deutschland tatsächlich sehr wichtig ist.