Gebaut wurde er 1893 in Geislingen und beherbergte Feiergesellschaften bis zu 300 Personen. Nun erstrahlt der Gartensaal es traditionsreichen Restaurants „Wilhelmshöhe“ in neuem Glanz, und das an ganz anderer Stelle: Mitten im Freilichtmuseum Beuren ist das Gebäude originalgetreu wieder aufgebaut worden. Sogar Teile der Tapete mit Toskana-Motiven sind im Eingangsbereich zu sehen, die nahtlos in Repliken übergehen. Auch der Schriftzug der „Gartenwirtschaft zur Neuen Türkei“, dem damaligen Namen des Gartensaals, erscheint wieder im alten Glanz.
Frotzeleien waren daher in der Begrüßungsrede von Esslingens Landrat Heinz Eininger gegenüber seinem Amtskollegen Edgar Wolff aus dem Kreis Göppingen und dem Geislinger Oberbürgermeister Frank Dehmer vorprogrammiert. Wie es denn jetzt am „Verlustort“ weitergehe, fragte Eininger launig. „Am besten kommen sie möglichst oft hierher“, fügte er hinzu. Neidgefühle kamen am gestrigen Dienstagabend bei der feierlichen Eröffnung des Gartensaals jedoch nicht auf, denn auch die geladenen Gäste aus der „Verlustregion“ hatten ausnahmslos einen positiven Bezug zum Freilichtmuseum. So war auch der Geislinger Oberbürgermeister mit seinen Kindern schon in Beuren und Landrat Edgar Wolff, gebürtig aus Deizisau, weiß den Gartensaal im Landkreis Esslingen in guten Händen. „So etwas haben wir zwar nicht, aber wir können uns problemlos ,fremdfreuen‘.“
In Beuren wird der 126 Jahre alte Geislinger Gartensaal unter Führung von Museumsleiterin Steffi Cornelius einer ganz neuen Bestimmung zugeführt. Im Herzen des Saals gibt es nicht nur Filmausschnitte aus dem Gasthausambiente der 50er Jahre zu sehen - mit viel Männern, viel Hornbrillen, Rauch und wenig Frauen. In einem anderen Bereich gibt es das neue „Erlebnis.Genuss.Zentrum“, in dem alte, einheimische Sorten vorgestellt und mit allen Sinnen erlebbar werden. Bei der Einweihung war das etwa eine kaktusartige Gurke, die man aufschneiden und probieren durfte oder der „Stuttgarter Riese“, eine heimische Zwiebelart. „Hier lernt man, dass es nicht nur sechs, sondern 200 einheimische Apfelsorten gibt“, sagt Steffi Cornelius. Und man erfährt, wie die Alb-Linse in Sankt Petersburg vom sogenannten „Sortenretter“ Woldemar Mammel gefunden und in zwei Tütchen nach Beuren gebracht wurde. In der vollverglasten, modernen Küche zeigt Koch Emre Demiryüleyen, was man aus einheimischen Produkten machen kann. „Regional essen ist ein Beitrag zum Klimaschutz ebenso wie alte Sorten zu erhalten. Daher ist das absolut zukunftsweisend“, sagt Heinz Eininger.
Ein besonderer Gast zur Einweihung des Gartensaals war Inge Hafner, Tochter des langjährigen Wirts der Wilhelmshöhe. „Es gab ein Klavier hinten links im Saal. Da hab ich mich als Kind verkrochen und bin dann eingeschlafen.“ Im Alter von neun Jahren habe sie Gäste an die Tische gewiesen. „So war das als Mitglied einer Geschäftsfamilie“, erinnert sie sich. Ihren Beitrag zum Erlenbiszentrum im Gartensaal wird die ehemalige Landratsamtsmitarbeiterin auch leisten: „Es wird am 20. September einen Wirtshausabend wie früher geben, mit Rock ‚n‘ Roll“, kündigt sie an. Das passt ins Konzept: „Die Gastronomie gehört auch zu den schützenswerten Dingen unserer Region“, ergänzt Landrat Edgar Wolff.