Seit fast zehn Jahren hat Heike Kurtz keine Tankstelle mehr angesteuert – zumindest keine im herkömmlichen Sinne. Denn seit 2014 fährt die selbstständige Übersetzerin aus Kirchheim elektrisch, und zwar aus Überzeugung. „Ich bin hochzufrieden“, sagt sie.
„Ein E-Auto lohnt sich für jeden“, ist sie überzeugt. „Ich zahle keine Kfz-Steuer und habe kaum Wartungskosten“, so die 53-Jährige: „E-Autos haben kein Getriebe, keine Riemen und brauchen keine Ölwechsel. Da gehen die Werkstattrechnungen runter.“
Strom „tankt“ Heike Kurtz in der Regel mit Überschuss aus der PV-Anlage auf ihrem Dach. Die hat vor zehn Jahren übrigens den Ausschlag gegeben, sich ein elektrisch betriebenes Fahrzeug anzuschaffen. „Wir wussten plötzlich gar nicht mehr, wohin mit dem ganzen Strom“, erinnert sie sich zurück.
Weil das alte „Mama-Taxi“ sowieso ersetzt werden muss, schafft sich Heike Kurz also 2014 ihr erstes E-Auto an, einen „e-up“ von VW. Der erweist sich zwar als gutes Stadtauto, allerdings lässt die Reichweite zu wünschen übrig. Als die Batterie einmal im Winter bei minus 15 Grad fast auf dem Weg vom Stuttgarter Olgäle nach Kirchheim schlapp macht, steht für Heike Kurtz fest: Es muss ein Wagen mit mehr Reichweite her. Den bekommt sie 2017 in Form eines Opel „Ampera e“. Für alle, denen das nichts sagt: Das Modell basiert auf dem amerikanischen Chevrolet Boldt und wurde nur in kleiner Zahl gebaut.
„Ich hing damals am Telefon, habe alle Händler angerufen und schließlich in Ulm einen Wagen abgestaubt“, erinnert sich die Kirchheimerin zurück. Das „Liebhaberstück“ fährt sie bis heute – mit einer nagelneuen Batterie, die Opel aufgrund einer Rückrufaktion erst zu Beginn dieses Jahres ausgetauscht hat.
Ohne Laden bis nach Prag
Wie weit man damit fahren kann? „Das kommt darauf an“, antwortet Heike Kurtz. Rund 300 Kilometer, so schätzt sie, kann sie ohne Laden unter normalen Bedingungen zurücklegen. Eines ihrer Kinder ist diesen Sommer mit dem Auto sogar bis nach Grasse in Südfrankreich gefahren. „Mit drei Mal Laden.“ Ihr Mann hat es sogar einmal ganz ohne Stromtanken nach Prag geschafft. „Er wollte das unbedingt hinkriegen und ist nie schneller als 80 gefahren“, erzählt Heike Kurtz und lacht.
Auswärts lädt die Kirchheimerin nur dann, wenn sie mal längere Strecken mit dem Auto unterwegs ist. Eine Stromtankstelle zu finden, ist aus ihrer Sicht kein Problem. „Es stehen überall Säulen, man muss sich nur vorher informieren.“ Die Ladepunkte kann sie sich im Auto per App anzeigen lassen. „Ich sehe auch, ob sie gerade schon jemand nutzt.“ Das allerdings schützt nicht immer vor Fremdparkern, die zwar keinen Stecker einstecken, aber trotzdem den Parkplatz belegen. „Ich habe schon ganze Motorradclubs weggeschickt“, erzählt Heike Kurtz. Angesprochen wird sie auf ihr E-Auto eher selten – meist haken aber interessierte Frauen nach. „Wenn die sehen, dass eine schwäbische Hausfrau und Mutti Mitte 50 so was fährt, denken die: Dann muss das ja was sein.“
Auch mit Kritikern muss sie sich immer wieder auseinandersetzen. Mit problematischen Details zur Batterieherstellung, Themen wie Lithiumgewinnung und Kobaltabbau, hat sich Heike Kurtz im Detail auseinandergesetzt und kommt zum Schluss: „Über die Lebensdauer gesehen ist ein E-Auto trotzdem umweltfreundlicher als ein Verbrenner.“ Fest steht für sie aber auch: „Das umweltfreundlichste Auto ist kein Auto.“
Lieber hybrid unterwegs
Ein reines E-Auto – das kann sich Melanie Frommer nicht vorstellen. „Das wäre mir in Deutschland zu riskant“, sagt die Assistentin der Geschäftsleitung beim GO-Verlag in Kirchheim und spielt damit auf die Ladeinfrastruktur an. Denn anders als in den USA, wo sie mit ihrem Mann mehrere Jahre gelebt hat und diesen Sommer auch wieder im Urlaub war, ist ihr das Netz in Deutschland noch zu lückenhaft. „Im Westen der USA gibt es überall Strom-Tankstellen – sogar in der Wüste“, weiß sie.
Statt auf einen reinen Stromer setzt Melanie Frommer deshalb auf Hybrid-Antrieb. Ihr Mann fährt seit Jahren ein Hybrid-Auto, jetzt schafft sie sich einen E-Kuga von Ford an, ein Plug-in-Hybrid-Modell. „Man ist mit einem Hybrid einfach flexibler und hat als Puffer immer Sprit dabei“, sagt sie. Dazu kommt, dass das Laden für sie daheim in der gemeinschaftlich genutzten Garage in der Esslinger Innenstadt nicht möglich ist.
Dass ein Hybrid auch Nachteile hat, ist ihr bewusst. „Die Batterie-Reichweite ist begrenzt. Aber wenn man keine langen Strecken fährt, dann geht das.“ Das Auto braucht sie vor allem, um von ihrem Wohnort Esslingen zur Arbeit nach Kirchheim zu fahren oder wenn sie mit den Kindern unterwegs ist.
Im Landkreis Esslingen sind knapp 14000 Elektrofahrzeuge zugelassen, das ist ein Anteil von drei Prozent aller zugelassener Fahrzeuge im Kreis. Etwas stärker vertreten sind Hybridfahrzeuge. Sie machen mit etwas mehr als 24000 gut fünf Prozent aus.
Umfrage: Das sind die größten Hindernisse bei E-Autos
Knapp 14 Prozent der der Teilnehmer der Mobilitätsumfrage unserer Zeitung geben an, ein E-Auto zu nutzen. Nach den größten Stolpersteinen in Sachen Elektromobiliät gefragt, steht für sie ganz oben auf der Liste, dass es generell zu wenig Ladesäulen gibt. Die E-Auto-Fahrer stören sich zudem an den unterschiedlichen Anbietern der Ladesäulen, blockierten Ladeparkplätzen und zu wenigen Schnellladesäulen. Auch mit unterschiedlichen Ladesystemen und fehlenden Infos darüber, ob eine Säule gerade verfügbar ist, haben sie zu kämpfen.
Für einen Verbrennermotor würden sich immer noch die meisten Befragten bei künftigen Autokäufen entscheiden. Als Gründe, die gegen ein E-Auto sprechen, nennt das Gros, dass der Anschaffungspreis zu hoch ist. Weitere Hinderungsgründe sind: „Aktuelle E-Autos haben keine angemessene Reichweite“ und „Das Ladenetz ist zu schlecht ausgebaut.“
Fast zwei Drittel derjenigen, die auf die Frage geantwortet haben, geben außerdem an: „Ich sehe in E-Autos keinen Umweltvorteil“. 16 Prozent lehnen E-Mobilität vollkommen ab.