Kirchheim
Mit der Dampflok in digitale Welten

Industrie 4.0 In der neuen Lernfabrik der Max-Eyth-Schule werden angehende Fachkräfte auf die Zukunft vorbereitet. Drei Berufsschulen im Kreis arbeiten vernetzt an vollständigen Produktionsabläufen. Von Bernd Köble

Zwischen Vergangenheit und Zukunft liegen nur ein paar Meter Schulhof. Die schwarze Dampflok vor der Kirchheimer Max-Eyth-Schule, einst Symbol für Technik und Fortschritt, steht im grellen Kontrast zu dem, was sich hinter Schulmauern abspielt. Die so gennannte Industrie 4.0. steht seit zehn Jahren nicht nur für radikale Veränderungen in Produktionsprozessen von Unternehmen, sondern auch in der Ausbildung. Mit der Eröffnung der „Lernfabrik Industrie 4.0.“ an der technisch-gewerblichen Schule in Kirchheim schloss sich gestern ein Kreis. Das Herzstück einer digitalen Lernlandschaft, die sich über drei Schulstandorte erstreckt, bringt  angehenden Fachkräften, Technologien und Prozesse
 

Der größte Schatz ist unser Wissen.
Christoph Nold
Geschäftsführer der IHK-Bezirkskammer
 

näher, die modernsten Standards in der Maschinenbau-, Metall- oder Elektroindustrie entsprechen. Mit der Philipp-Matthäus-Hahn-Schule in Nürtingen und der Esslinger Friedrich-Ebert-Schule flankieren zwei Grundlagenlabore den schulischen Produktionsprozess. Alle drei Partner sind in einer Cloud digital vernetzt und arbeiten Hand in Hand. Gemeinsam mit den kaufmännischen Schulen im Landkreis ist es so möglich, an realen Produkten wie einem Patchkabel-Tester die gesamte Wertschöpfungskette von der Entwicklung über die Konstruktion und Fertigung bis zu Vertrieb und Qualitätssicherung abzubilden. 

Die Ausbildung künftiger Fachkräfte lässt sich das Land einiges kosten. Inzwischen fließen mehr als zwölf Millionen Euro aus Landesmitteln in Lernfabriken an 37 Standorten in Baden-Württemberg. Allein in Kirchheim, Nürtingen und Esslingen wurden 836 000 Euro in die Ausstattung mit modernsten Maschinen und Geräten investiert. Mehr als 400 000 Euro hat der Landkreis selbst finanziert. Daneben sind 18 Partnerunternehmen aus der Region als Geldgeber mit im Boot. Nicht ohne Grund: Der Fachkräftemangel wird inzwischen als größte Bedrohung für den Wirtschaftsstandort im Südwesten wahrgenommen. 20 Prozent weniger Ausbildungsverträge hat die IHK-Bezirkskammer im vergangenen Jahr registriert. „Bodenschätze sind nicht unser Thema,“ sagt IHK-Geschäftsführer Christoph Nold. „Der größte Schatz ist unser Wissen.“ 

Dafür braucht es allerdings auch hochqualifizierte Lehrkräfte, deren Unterrichtswelt sich nirgendwo rasanter verändert als an den technischen Berufsschulen. „Nachwuchs zu bekommen, ist ein großes Problem,“ räumt Jochen Schade, Schulleiter der Kirchheimer Max-Eyth-Schule unumwunden ein. Die Arbeit erfordere nicht nur viel Herzblut, sondern auch gewaltige Innovationskraft. 

Für Michael Kleiner, Ministerialdirektor im Stuttgarter Wirtschaftsministerium, ist der Umgang mit digitalen Prozessen der Industrie 4.0 die Schlüsselkompetenz in der Ausbildung. Ohne sie seien die Herausforderungen in der Produktion nicht mehr zu bewältigen, wenn es darum gehe, Prozesse zu optimieren und Ressourcen zu schonen, sagte Kleiner am Dienstag bei der Eröffnung in Kirchheim. 

Die Innovationsbereitschaft in der Ausbildung spiegelt sich für den Esslinger Landrat Heinz Eininger in vielen Bereichen wider. Rund 13 Millionen Euro will der Landkreis in den kommenden Jahren in die Digitalisierung seiner Berufsschulen stecken und erhält dafür politische Rückendeckung aus dem Kreistag. Bereits vor drei Jahren ging an der Max-Eyth-Schule eine Lernstraße an den Start, in der so genannte Augmented-Reality-Anwendungen den Einsatz virtueller Roboter simulieren. An der Esslinger Friedrich-Ebert-Schule wird das Grundlagenlabor zurzeit um ein Modul „Künstliche Intelligenz“ erweitert. „Dass wir ein Zukunftsstandort nicht nur in Worten sind,“ zeigt sich für Eininger auch an anderer Stelle: Der Bürgerentscheid in Weilheim für den geplanten Bau einer Brennstoffzellenfabrik ist für ihn ein „extrem erfreuliches Zeichen.“ Gar eines, das den CDU-Landrat für einen Moment Parteigrenzen vergessen lässt: Weil der grüne Ministerpräsident sich persönlich auf den Weg nach Weilheim gemacht habe, um für das Projekt zu werben, „hat Winfried Kretschmann großen Anteil daran.“