Lenningen. Wo sich früher für die Papierproduktion von Scheufelen Baumstämme stapelten, wachsen jetzt Palettentürme in den Himmel. Dass die für die Logistikbranche so wichtigen Träger aus Holz knapp sein könnten, kommt dem Besucher der Firma ZS Palettenservice nicht in den Sinn. Wie vor dem Ukrainekrieg verlassen hier täglich 40 bis 50 Lkw-Ladungen mit Paletten den Hof. Wie sich das in Zukunft entwickelt, ist indes nicht absehbar.
Druckluftnagler zischen unablässig
Seit 2018 hat das zuvor in Kirchheim ansässige Unternehmen auf dem unteren Teil des Scheufelengeländes in Lenningen Flächen angemietet. In einer Halle ist unablässig das Tackern und Zischen von Druckluftnaglern zu hören. Hier werden die Holzträger repariert. Die beiden anderen Hallen dienen als Lager für Paletten verschiedener Qualität. Darunter sind nagelneue ohne Gebrauchsspuren, die etwa in der Lebensmittelbranche oder für Möbel genutzt werden. „Alleine an der hellen Farbe sind sie nicht zu erkennen“, sagt der technische Leiter, Hasan Olgar. Die genaue Klassifizierung – ob neu, A, B, C oder Defekt – übernimmt eine Maschine, die jede Palette auf ihre Zugfestigkeit und andere Eigenschaften hin prüft. Das eingebrannte EPAL-Zeichen des Dachverbands garantiert, dass jede Europalette der Norm entspricht. „Jeden Monat kommt ein EPAL-Kontrolleur und überprüft stichprobenartig, ob wir die Standards einhalten.“ Wie der Zufall es will, rollt wenig später ein Auto an die Pforte. Am Steuer sitzt genau einer dieser Kontrolleure.
Ein Großteil der Paletten, die in Lenningen angeliefert werden, sind Umläufe von großen Unternehmen. Das System funktioniert ähnlich wie das Pfandsystem bei Getränkekisten. Rückläufer werden auf Herz und Nieren getestet und gegebenenfalls mit neuen Klötzen oder Brettern versehen. „Wegen der Umläufe ist der Mangel noch nicht so spürbar, aber er wird kommen, wenn sich die aktuelle Krise nicht bald entspannt“, so Hasan Olgar. Dass es auf dem Markt bereits knapp hergeht, merkt er an den umfangreichen Anfragen von Neukunden aus ganz Deutschland. „Wir prüfen dann, ob wir die Kapazität haben. Stammkunden genießen aber selbstverständlich immer Vorrang.“
Maschinen erledigen die Arbeit
Während in Lenningen viel in Handarbeit läuft, übernehmen auf dem Gelände der Firma ZS Palettenservice in Bissingen Maschinen den Großteil der Arbeit. Hergestellt werden hier 300 Gitterboxen pro Schicht. Kostete die Tonne Stahl vor der Pandemie 500 Euro, so lag der Preis nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine bei 1700. Der Stahl, der auf riesigen Rollen – sogenannten Coils – angeliefert wird, stammt derzeit noch größtenteils aus dem europäischen Markt wie aus Spanien. „Gestern hat mich ein Stahlhändler angerufen und mir Material angeboten“, erzählt Hasan Olgar. „Wenn das passiert, weiß ich, dass die Autoindustrie aktuell wenig Stahl abnimmt.“ Generell sei die Automobilbranche ein guter Gradmesser für die Wirtschaft. Würden viele Gitterboxen geordert, könne das bedeuten, dass die Industrie viel produziere oder aber, dass sie viel einlagere, weil sie auf ein Anspringen des Konjunkturmotors hoffe. Werden dagegen wenig Boxen bestellt, ist das für den technischen Leiter ein untrügliches Zeichen für eine Rezession. Anke Kirsammer