Das alte Waschbrett seiner Oma um den Hals wartet Otwin Schierle auf seinen Einsatz. Den gibt seine Frau Christiane mit Gitarre und Gesang. Dann legt das Duo „Blues and Trouble“ los. Am liebsten spielt das Ehepaar – der Name ist Programm – Blues und Dixie, vorzugsweise auf der Straße. „Ich habe meine Liebe zur Straßenmusik entdeckt“, verrät Otwin Schierle, Gründungsmitglied des Kirchheimer Club Bastion. Weil er in der Teckstadt bekannt ist wie ein bunter Hund, hatte das Duo in Esslingen seine ersten Auftritte auf der Gass. „Während der Pandemie haben wir uns das Repertoire erarbeitet – und draußen spielen war ja nicht verboten“, erzählt Christiane Schierle. Mittlerweile trauen sich die beiden auch in der Kirchheimer Innenstadt zu spielen, vorzugsweise samstags.
Viel ist bei den beiden während dieser Ausnahmezeit passiert. Regelmäßig treten sie bei den Gartenkonzerten der Sanwaldstiftung, die während der Pandemie ins Leben gerufen wurden, in Seniorenheimen auf. An einen Gig erinnern sich beide bestens. Otwin Schierle hatte seine Fingerhüte vergessen. Dieses kaum mehr genutzte Nähutensil ist jedoch unerlässlich, um dem Waschbrett – heute in keinem Haushalt mehr zu finden – Töne zu entlocken. Eine Lösung war schnell gefunden: Die Pflegeheimleiterin sammelte kurzerhand die Fingerhüte aus den Zimmern der Konzertbesucherinnen ein.
Auf der Bühne ist Otwin Schierle in seinem Element. Egal, ob er mit dem Waschbrett den Takt angibt und Schwung in die Lieder bringt oder die Bluesharp spielt – beim Musizieren merkt keiner, dass er an Parkinson leidet. „Ich habe zwar Schwierigkeiten aufs Podium zu kommen, aber wenn ich oben bin, dann tanzt der Bär“, sagt er mit seinem knitzen Humor. „Seine Performance mit dem Brett ist der Bringer“, beschreibt Christiane Schierle seine Auftritte. „Du bisch dr Beschde“, hört er oft bei Festen, wo er mit anderen Musikern und Bandformationen spielt. „Das ist mein Beitrag zum Gendern“, spielt er auf das Waschbrett an, mit dem einst die Hausfrauen die Wäsche bearbeiteten.
Die Mundharmonika spielt er immer noch, allerdings nicht mehr auf dem Niveau, wie er es gerne hätte – die Muskeln. Nicht zufrieden mit seinem Blues-Mundharmonikaspiel war er schon einmal. Ein Trip nach Ibiza zu Hippie-Zeiten brachte die Wende. „Da habe ich eine Gruppe Engländer kennengelernt. Einer der coolen Typen hat mir gesagt, ich soll die Quart cross spielen – das war der entscheidende Tipp“, freut er sich heute noch über die Begegnung mit den tollen Musikern.
Mit zuckenden Beinen fing es 2013 an. Der einstige Pressesprecher der AOK Baden-Württemberg dachte zunächst an Restless Legs. Der Arzt diagnostizierte jedoch Parkinson. Die Krankheit ist nicht heilbar, die Patienten müssen damit den Rest ihres Leben damit leben, wobei sie eine normale Lebenserwartung haben. „Parkinson ist eine vielschichtige Krankheit, sie hat viele Verläufe. Was für den einen passt, bringt dem anderen nichts. Man muss die Krankheit akzeptieren – auch wenn es einfach scheiße ist“, nimmt er kein Blatt vor den Mund. Der Tagesablauf wird von Physio- und anderen Therapieterminen, insbesondere der Medikamenteneinnahme diktiert. „Eine Wochenbox reicht ihm einen Tag“, verdeutlicht Christiane Schierle. „Ich bin Mitteleuropäer. Wie geht es einem Parkinson-Kranken in Papua-Neuguinea? Hat er dort die gleiche Versorgung wie ich?“, fragt er und kommt für sich zu dem Schluss: „Zu eng darf man es nicht sehen.“ Er nimmt einfach hin, dass er alle zwei Wochen stürzt. Auch seine Frau hat gelernt, mit diesem Umstand umzugehen.
Beide machen das Beste aus der Situation. Dabei hilft die Musik, Otwin Schierle bezeichnet sie gar ein Stück weit als Therapie, denn Musik sorgt im Kopf für eine Extradosis Dopamin. „Das ist der Hirnbotenstoff, der bei Parkinson vermindert da ist, weshalb Medikamente den Dopaminmangel ausgleichen sollen und so die Beschwerden lindern“, erklärt er und erzählt die Geschichte mit dem Hut. Eigentlich hätten sie auf der engen Brücke in Esslingen wegen der Corona-Abstandsregeln gar nicht musizieren dürfen. Bewusst hatten sie deshalb ihren Hut in einem großen Abstand platziert. „Dann kam die Polizei und einer hat mir zugewunken. Ich dachte schon, jetzt gibt’s Ärger. Aber der Polizist wollte uns nur darauf aufmerksam machen, dass wir den Hut näher zu uns herziehen sollen, damit uns das Geld nicht geklaut wird.“ Auf solche Erlebnisse will er noch lange nicht verzichten.
Parkinson kann sich auf verschiedene Weise äußern
Seit 1997 findet der Welt-Parkinson-Tag am 11. April statt. Das Datum wurde auf den Geburtstag von James Parkinson gelegt. Der britische Arzt hat 1817 in seiner Studie die Krankheit erstmals exakt mit Symptomen und Verlauf beschrieben. In Deutschland sind laut Deutscher Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen 400 000 Menschen von der Krankheit betroffen.
Parkinson ist eine Erkrankung des Gehirns. Sie tritt vor allem im höheren Alter auf und schränkt die Bewegungsfähigkeit ein. Ihre Ursachen sind bis heute nicht vollständig geklärt.
Die Erkrankung lässt sich zwar nicht heilen, es gibt aber wirksame Therapien, die die Beschwerden lindern können. In erster Linie werden sie mit Medikamenten behandelt. Normalerweise schreitet Parkinson nur langsam voran. Nach der Diagnose führen viele Menschen noch lange ein weitgehend selbstständiges Leben.
Bewegungsarmut ist eines von drei typischen Syndromen, wie auf gesundheitsinformation.de nachzulesen ist. Es sind nur noch langsame Bewegungen möglich. Zum Beispiel wird der Gang sehr zögerlich, mit kurzen, kleiner werdenden Schritten.
Muskelsteife betrifft vor allem Arme, Beine und Hals. Sie können dauerhaft steif und angespannt sein und zu Muskelschmerzen führen.
Zittern tritt bei den meisten Menschen mit einer Parkinson-Krankheit auf. Es nimmt bei Bewegung ab. Besonders häufig zittern die Hände. Dadurch wird die Schrift kleiner und undeutlicher. ih