„Ihr seid in der Show? Wie geil ist das denn!“, sagt Patrizia Moresco gutgelaunt und fügt bedauernd hinzu: „Ich bin Italienerin und darf seit zwei Jahren niemanden umarmen.“ Schade, denn die eigentliche Halbitalienerin mit schwäbischen Wurzeln hat ihre Zuschauer von der ersten Sekunde an im Griff - warum also nicht mal liebevolles Massenkuscheln in der Bastion?
Wer bei der adretten selbst ernannten „Komik-Kaze-Kabarettistin“ vermutet, sie wäre aufgrund ihrer skurrilen Erlebnisse ein Alltagsüberforderungsopfer…weit gefehlt. „Mama war Halbitalienerin, halb Psycho, halb Ninja“, beschreibt Patrizia Moresco selbige, die gleichzeitig „telefonieren, Sauce Arrabbiata kochen und ihr mit dem Kochlöffel eins überziehen konnte.“ Oft bekam sie ein: „Patricia, geh auf dein Zimmer“, zu hören, erzählt sie und nennt auch den Grund ihres Daseins: „Statt Kondome benutzten sie kleine Jutesäckchen, ist eine staubtrockene Angelegenheit.“
Überraschend, wie sie ohne Überleitung über das Leben redet und dabei von einem Thema zum anderen mäandert und sich bei Premierminister Boris Johnson fragt: „Wie kann es sein, dass er von allen Spermien der Gewinner war?“ Noch kurz auf die „120 000 registrierten Rechtsextreme aufmerksam gemacht, von denen viele auch im Bundestag sitzen“. und flugs landet man auf der Autobahn. Mit Galgenhumor blickt die Wahlberlinerin auf die Raser und echauffiert sich: „Die fahren so dicht hinten auf, als wollten sie eine Rektalinspektion durchführen.“ Leben mittlerweile viele auf der Überholspur, stehen gleichwohl zwei Drittel davon im Stau, so ihr Fazit und sagt: „Nicht, dass ich es eilig habe, aber ich warte in Eile.“
Lustig der darauffolgende Erinnerungsschub, als „Papa im Auto noch Kette rauchte und Mama den Qualm mit 4711 wegsprühte und man sich beim zu schnell fahren am oberen Griff festgehalten habe“. Interessiert hakt Patrizia Moresco dann beim Publikum nach: „Kennt ihr irgend jemanden, der einen Autounfall wegen des Festhaltens am Griff überlebt hat?“ Heute dagegen würden die Leute wie „die Erdmännchen auf den E-Scootern stehen“, erzählt sie und machts tierisch ernst gleich mal vor. Zum Brüllen komisch auch, wenn das Multitalent ihre Respektsbekundung fürs krass-korrekte Einparken von Kerlen aus dem kraftstrotzenden Rap-Kosmos zelebriert – nur eine der Szenen, in denen ihr großes schauspielerisches Können zum Einsatz kommt.
Der Hamster ist tot
Mit Esprit schlüpft sie in unterschiedliche Rollen, imitiert Stimmen, Dialekte und Charaktere und stört sich keineswegs daran, dass sie dabei nicht immer vorteilhaft aussieht oder wie die 64-Jährige sagt: „Mir fällt langsam der Humor in die Faltencreme, das Rad dreht sich, aber der Hamster ist tot.“ Patrizia Moresco scheint die kompletten letzten zwei Jahre aufzuarbeiten, „im Sommer war es in Berlin so heiß, dass die Bäume den Hunden hinterhergepfiffen haben, weil sie bewässert werden wollten.“
Sie versteht es nicht, dass man mittlerweile „bei Yoga fürs Atmen zahlen müsse“ und hält auch nicht viel von KI, Social Media und sogenannten Smartphonern, „die sich die Daumen bis zur Arthrose whatsappen und für die es eine extra Stadt namens Dumpfbackenhausen geben müsste. Jedes Verständnis fehlt der Satirikerin für Influencer, der längst der Traumberuf vieler junger Menschen sei, und sie konstatiert: „Blöd, dass es dafür keine Impfung gibt.“ Die Frage, ob sie sich lieber einen Hund oder einen Mann anschaffen sollte, stellt sich Patrizia Moresco nicht: „Lasse ich mir den Teppich versauen oder das ganze Leben?“
In rasendem Tempo feuert die zierliche Comedienne ihre gesprochenen und gesungenen humorig-geschliffenen Wortkaskaden stimmgewaltig mit vollem Körpereinsatz nebst Gesichtsakrobatik ins Publikum. Über zwei dichte Stunden bot Patrizia Moresco einen sprachlichen Effektrausch für Herz, Hirn, Sehnerv und Zwerchfell - ein toller Abend, der nach Wiederholung schreit.
Dreh- und Angelpunkte eines explosiven Lebens
Patrizia Moresco, Jahrgang 1957, ist das „Resultat einer explosiven Nacht zwischen ihrer römischen Mama und ihrem neapolitanisch-amerikanischen Papa. Geboren in Mannheim, wuchs sie in Stuttgart bei ihrer italienischen Großmutter auf.
Die Kabarettistin besuchte die Schauspielschule in München und fand schließlich ihre Passion in „Comedy, Anarchie und Rock ’n’ Roll!“, gründete das Stuttgarter Scherbentheater, woraus später die Comedy-Gruppe „Shy Guys“ entstand.
Von 1997 bis 2006 stand Patrizia Moresco ausschließlich für Film und Fernsehen vor der Kamera. Patrizia Moresco tourte mit Lisa Fitz und Sissi Perlinger in „Weiberpower pur“, bis sie 2007 Stand-up-Comedy für sich entdeckte. ack