Kirchheim
Miteinander in Jesingen: Lieber vereint als vereinsamt leben

Quartiersprojekt   Jesingen fördert Teilhabe und Begegnung. Die Impulse sollen nachhaltig wirken und an den jeweiligen Bedarf angepasst sein.  Von Andreas Volz

Jesingen will Mittel gegen die Einsamkeit finden. Dabei geht es zunächst darum, der Einsamkeit auf die Spur zu kommen. Deswegen hat das Projekt „Unser Jesingen – unsere Entscheidung … für mehr Teilhabe und Begegnung“, das Impulse für Jesingen als Wohnquartier  setzen soll, „Einsamkeitsdetektive“ eingesetzt. Der Einzelhandel, die Kirchen oder auch die Pflegedienste wurden  
 

Einsamkeit betrifft wirklich alle Altersgruppen.
Nicole Orgon
Netzwerk „Miteinander für Jesingen“

ebenso befragt wie Einzelpersonen. Bei der Fotoaktion„Mein Blick auf Jesingen“ war zudem die Allgemeinheit aufgefordert, jeweils subjektive Bezugspunkte für das Leben in Jesingen darzustellen und zudem die beiden Fragen zu beantworten, was in Jesingen hilft und was fehlt, um gut leben zu können.

Zur Halbzeitbilanz des auf zwei Jahre angelegten Impulsprojekts stellt Jesingens Ortsvorsteherin Gabriele Armbruster fest: „Wenn wir Teilhabe und Begegnung fördern wollen, geht es letztlich um das Thema Einsamkeit. Das ist aktuell ein bundesweites Thema, und da sind wir auf dem richtigen Weg.“ Dass beileibe nicht nur Senioren unter Einsamkeit leiden, macht Nicole Orgon vom Netzwerk „Miteinander für Jesingen“ deutlich: „Einsamkeit betrifft wirklich alle Altersgruppen.“ Projektkoordinatorin Kristine Eberle ergänzt: „Corona hat gezeigt, dass sich bundesweit 40 Prozent der Menschen einsam fühlen.“

Trotzdem ist festzustellen, dass die Umstellung auf den Ruhestand einen Einschnitt bedeutet, der häufig mit Einsamkeit einhergeht – und mit einer plötzlichen Leerstelle, die gefüllt sein will. „Da gibt es immer wieder Leute, die direkt von der Rentenberatung zu uns kommen“, sagt die Ortsvorsteherin, die darin aber einen entscheidenden Vorteil sieht: Es geht um Netzwerke, die die Menschen auffangen, indem sie sie entsprechend weiterleiten.
 

Es geht um Geben und Nehmen 

Das Quartiersprojekt hat immer sowohl das Geben  als auch das Nehmen im Blick. Mittagstische beispielsweise sind Möglichkeiten, wie man einmal in der Woche Gemeinschaft erleben kann, beim gemeinsamen Essen. Einbringen kann man sich dabei in der Küche, in der Organisation, beim Aufbau. Man kann aber auch einfach nur teilnehmen und sich bedienen lassen. Die Teilnahme wiederum ist abhängig von der eigenen Mobilität. Fahrdienste sind deshalb ebenfalls fester Bestandteil eines Essensangebots.

Auch sonst sind Fahrdienste wichtig – sei es für den Arztbesuch oder für den Einkauf. Und häufig geht es dabei um mehr als um die Beförderung von A nach B. Es geht auch um Begleitung, um konkrete Hilfe. Das Zuhören ist nicht zu vergessen: Manche wünschen sich nichts weiter als jemanden, der sie beim Spazierengehen begleitet, sie unterstützt und ihnen vor allem auch zuhört.

Die einzelnen Teilprojekte stecken noch eher in der Entwicklungsphase. Viele Ideen muss man einfach auch einmal ausprobieren – etwa das „Mitfahrbänkle“, das Gabriele Armbruster anspricht. Die Idee, die dahinter steckt, ist die, dass man sich unverbindlich an dem Bänkle einfinden kann – als jemand, der mitgenommen werden möchte, oder als jemand, der bereit ist, einen anderen zu chauffieren. Ob das in der Praxis wirklich funktioniert, ist eine ganz andere Frage. Vielleicht erweist es sich als bessere Idee, eine „Suche-Biete“-Börse einzurichten, telefonisch oder auch digital.

Die Bedarfserhebung hat zu drei wichtigen Arbeitsfeldern geführt: So soll sich in Jesingen ein barrierefreier und niederschwelliger Begegnungstreff etablieren. „Wir haben im Jesinger Rathaus einen geeigneten Raum“, meint die Ortsvorsteherin. Wie dieser Raum im Detail genutzt werden soll, muss sich im Lauf der Zeit entwickeln. Für Thomas Meyer-Weithofer vom Verein „buefet“ steht aber von vornherein fest: „Was wir da gemeinsam anbieten wollen, soll kein Ballon sein, aus dem schnell wieder die Luft raus ist.“ Es geht also darum, die Fördergelder, die aus dem baden-württembergischen Sozialministerium über den Verein „Allianz für Beteiligung“ nach Jesingen fließen, sinnvoll und nachhaltig zu nutzen.

Dazu braucht es auch die richtigen Kommunikationswege, als zweites Arbeitsfeld: Was nutzen die besten Angebote, wenn niemand davon erfährt? Weil das Projekt alle Altersgruppen ansprechen soll, ist auch über alle möglichen Schienen darüber zu informieren – auf bedrucktem Papier ebenso wie digital, jeweils in den unterschiedlichsten Formaten. Das dritte Hauptthema ist der bereits erwähnte Begleitdienst. 

Das Quartiersprojekt kann letztlich nur die Impulse geben sowie Angebot und Nachfrage zusammenbringen. Ohne ehrenamtlich Engagierte kann das alles aber nicht funktionieren. Deswegen ist es wichtig, dass sich möglichst viele Menschen gemeinsam für ein Miteinander in Jesingen einbringen. Dann macht das Projekt aber auch nicht an den Markungsgrenzen halt: Impulse von außen nimmt es ebenso auf wie es erfolgreiche Ideen weitergibt.