Verwunschen und von großen Bäumen umgeben, steht das alte Haus da. Wer nicht gezielt nach der Hausnummer sieben im Ötlinger Quellenweg sucht, könnte achtlos vorübergehen. Dabei gibt es hier viel zu entdecken. „Shalom, Peace und Pax“: Ganz aktuell muten die farbigen Schriftzüge rund um ein Herz aus Backsteinen an, die die Rückseite der Gartenhütte zieren. Kaum ein Winkel, eine Tür oder Fenster kommt hier ohne Botschaft aus.
Auch der Garten wirkt geheimnisvoll. Ein kaputter Krug schmückt einen Zaunpfahl, und zwischen dem grauen Ständerwerk der Balken, die das Grundstück umschließen, leuchten fröhlich bunte Glasbausteine in allen Größen und Formen. Wo früher die Tenne war, bietet heute eine Floristin im „Flora Blum“ ihre vielfältigen Arbeiten und Schönes für den Garten an.
„Unter Welt“, steht auf den mächtigen Türen zum Gewölbekeller, und am Eingang grüßen erneut Friedensbotschaften. Das 200 Jahre alte Fachwerkgebäude haben der im Mai verstorbene Grafiker Gerhard Maak und seine Frau, die Malerin Esther Koestler-Maak, zu einem Gesamtkunstwerk geformt.
Einen funktionierenden Klingelknopf suchen Besucher vergebens, stattdessen lädt ein roter Schraubenschlüssel zum Läuten ein, der über dem massiven Holzbriefkasten an einem Seil baumelt. Efeu verdeckt weite Teile der Fassade. Esther Koestler-Maak führt über die knarrenden Treppenstufen nach oben. Beeindruckende Findlinge, auf Kunst-Exkursionen entdeckt, zieren das Treppenhaus genauso wie großformatige Gemälde der Hausherrin. Ein Gartenfest, Menschen im Café oder in der S-Bahn, dann eine Eisenhütte und ein Sägewerk – Esther Koestler malt, was ist. „Das Haus war in einem katastrophalen Zustand“, erinnert sich die 90-Jährige an die Anfangszeit Ende der 1960er-Jahre. Auf der Suche nach einem alten, bezahlbaren Bauernhaus war die junge Familie in Kirchheim fündig geworden, nachdem die Maaks ihre Stuttgarter Wohnung wegen einer Eigenbedarfskündigung verlassen mussten.
Hochschwanger mit dem vierten von schließlich fünf Kindern seien sie eingezogen, und die Familie habe jahrelang auf der Dauerbaustelle gelebt, bis alle Räume samt der früheren Metzgerei wieder bewohnbar wurden. Vor allem nach den Urlauben habe es sie damals vor der Heimkehr gegraust. „Mein Mann hat alles selbst gemacht.“ Meist habe er gebrauchte Materialien aus anderen alten Häusern verwendet. Für seine Energie und seinen Einfallsreichtum habe sie ihn aber bewundert, sagt die Künstlerin rückblickend. Zu einem wahren Schatzkästchen und politischen Manifest gleichermaßen hat der Allrounder die Toilette des Hauses geformt. Die bunten Mosaike und Frauengestalten, die auf den ersten Blick an die Ästhetik einer Niki de Saint Phalle erinnern, geben zentrale Botschaften des Altlinken und Pazifisten Maak zu erkennen: „Aufklärung muss radikal sein“ oder „Nie wieder Holocaust aus Deutschland“, hat der Künstler in die mit Schriftzeichen versehenen Fliesen geprägt.
Das Haus Maak war in den 1970er-Jahren „die Adresse zur Beratung von Kriegsdienstverweigerern und Berufsverbotsopfern“, wo auch Friedensfeste gefeiert wurden, schrieben die „Ötlinger Nachrichten“ im Jahr 2005. Kaum ein Fenster im Haus gleicht dem anderen. Manche tragen die Initialen der Familienmitglieder, andere werden von bunten Glassteinen umrahmt. Gerhard Maak hat mit Glas, Gips, Metall, Ton und Holz gearbeitet. Eine mächtige Baumscheibe bildet den massiven Esstisch, die Eckbank wird von geschnitzten Säulen eingefasst, und in der Küche verblüfft ein bunt bemalter Koch aus Holz, der den Oberschrank trägt.
Geschmacksentgleisung
Auch die Künstlerin hat viele Spuren hinterlassen. Während die Kinder klein waren, kam Esther Koestler-Maak nicht zum künstlerischen Arbeiten, wie sie berichtet. Dafür schmückte sie – passend zum Zeitgeist der 1970er-Jahre – die Küchenschränke, Innentüren und einige Fenster mit stilisierten Blumenmustern im Stil der Bauernmalerei. Über solche Geschmacksentgleisungen kann die Hausherrin, die 1981 zusammen mit ihrem Mann im Haus eine private Malschule eröffnete, heute noch lachen. Viele Jahre unterrichteten sie Grafikdesign und Malerei und boten Akademieanwärtern Mappenkurse an.
Ein Haus als Lebenswerk
Historie Das spätere Künstlerhaus wurde 1832 in der früheren Brunnenstraße, dem heutigen Quellenweg, im Kirchheimer Stadtteil Ötlingen gebaut. 1903 zog der Metzgermeister Johannes Gehr ein und baute einen Schlacht- sowie einen Kühlraum ein, bevor Familie Maak das Anwesen 1968 als Wohnhaus erwarb.
Künstler Gerhard Maak stattete das Haus außer mit Wohnräumen für seine siebenköpfige Familie mit einem Atelier für Grafikdesign und Werbegestaltung aus. In den 1980er-Jahren wechselte der Grafiker in den Schuldienst und unterrichtete als Kunsterzieher in Göppingen, Wendlingen und Nürtingen. Esther Koestler-Maak besuchte erst die Modeschule in Karlsruhe, später die Kunstschule Stuttgart, wo sie ihren Mann kennenlernte und an der Akademie der Bildenden Künste bei Hans Schlegel studierte. Ihre Werke waren 1993 in einer Einzelausstellung im Kornhaus sowie in Schauen im eigenen Haus, zuletzt 2005, zu sehen. com