Kirchheim
Musterländle will Vorreiter sein

Energiewende Digital und interaktiv war die Diskussion mit Umweltminister Franz Untersteller, die aus den Räumen der Teckwerke gesendet wurde. Es ging es um eine klimaneutrale Zukunft. Von Bianca Lütz-Holoch

Bei politischen Diskussionen steht derzeit meist das Thema Corona im Mittelpunkt. Nicht so bei der Veranstaltung der Grünen, die live aus den Kirchheimer Teckwerken auf Youtube übertragen wurde. Im „Studio“ in der Paradiesstraße diskutierten der Kirchheimer Grünen-Landtagsabgeordnete Andreas Schwarz, der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller und Teckwerke-Vorstandsmitglied Felix Denzinger unter der Moderation von Birgit Sienz vom Kirchheimer Grünen-Ortsvorstand über Wege in eine klimaneutrale Zukunft. Die - das betonte Schwarz - müsse ebenso entschlossen verfolgt werden wie die Bewältigung der Corona-Pandemie. „Ich wünsche mir, dass wir mit gleicher Kraft auch die Klimakrise meistern. Denn gegen sie gibt es keinen Impfstoff“, sagte der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag.

Das große Ziel ist seit fünf Jahren im Pariser Klimaschutzabkommen festgeschrieben: die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken oder zumindest unter zwei Grad zu bleiben - ein Wert, der nur erreichbar ist, wenn überall auf der Welt der CO2-Ausstoß noch viel stärker reduziert wird.

„Die Emissionen in Baden-Württemberg machen lediglich 0,2 Prozent des globalen CO2-Aufkommens aus“, sagte Umweltminister Franz Untersteller. Dazu kommt, dass die Weichen für den Klimaschutz zum größten Teil in Brüssel und Berlin gestellt werden. Trotzdem sei entscheidend, was das Land tue. „Andere schauen auf uns“, betonte der Minister. „Wenn so eine bedeutende Industrieregion wie Baden-Württemberg die Probleme in den Griff kriegt, ist das eine wichtige Aussage.“

Tatsächlich hat Baden-Württemberg vorgelegt: Es war mit das erste Bundesland, das 2013 ein Klimaschutzgesetz verabschiedet hat und legt mit der Novelle des Gesetzes wieder vor. Es beinhaltet unter anderem eine Pflicht, ab 2022 alle neuen Nicht-Wohngebäude mit Photovoltaik-Anlagen auszustatten. Zum anderen müssen die 103 größten baden-württembergischen Städte künftig kommunale Wärmepläne erstellen.

Felix Denzinger von den Teckwerken machte deutlich, dass ihm all die Maßnahmen noch nicht weit genug geben. „Die Ziele des Landes reichen in Zeiten, in denen der Klimawandel lebensbedrohlich wird, bei Weitem nicht mehr aus“, sagte er und führte an, dass Menschen durch Hitze und Luftverschmutzung sterben. Aus seiner Sicht ist zwar die im Landesgesetz verankerte Photovoltaik-Pflicht für Nicht-Wohngebäude gut: „Aber sie muss als notwendiger letzter Schritt auch für den Wohnbereich gelten“, forderte er.

Eine Frage aus dem Publikum betraf die in diesem Jahr neu eingeführte CO2-Bepreisung. „Es geht darum, ob die Wirtschaft dadurch bedroht ist“, so Sienz. „Im Gegenteil“, antwortete Andreas Schwarz. Weltweit sei Klimaschutz ein Top-Thema, überall würden Auflagen verschärft. „Wenn der Weltmeister Baden-Württemberg weiter exportieren möchte, dann nur mit energieeffizienten, klimaneutralen Technologien“, betonte er. Die Energiewende ist aus Sicht von Franz Untersteller ohnehin nur über höhere CO2-Preise zu schaffen. Die fossile Welt müsse teurer und unattraktiver werden, die neue Welt attraktiver und günstiger.

Die Automobilwirtschaft wird in Baden-Württemberg aus Sicht des Umweltministers auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. „440 000 Arbeitsplätze hängen am Produkt Auto“, gab er zu bedenken. Man müsse auf Transformation setzen und am Auto der Zukunft arbeiten. Dem trägt der Strategiedialog des Landes mit der Automobilwirtschaft Rechnung.

Felix Denzinger äußerte noch Wünsche in Richtung Politik. Zum einen bat er, die Gründachverordnung im Land zu reformieren und eine Alternative zu bieten: „Entweder Kies und Photovoltaik oder Gründach.“ Auch wünschte er sich weniger strenge Vorschriften zur Errichtung von Windkraftanlagen.

Zum dem Thema hatte Franz Untersteller einen Vorschlag parat, den er gerne im künftigen Koalitionsvertrag verankert sehen würde: „Wir müssen das Standortpotenzial in landeseigenen Waldflächen nutzen“, betonte er. Auch hält er es für sinnvoll, alte Deponieflächen - wie etwa im Tiefenbachtal - für Photovoltaik zu nutzen, statt sie wieder aufzuforsten.

Nicht zuletzt warben Andreas Schwarz und Felix Denzinger für alternative Mobilität: attraktivere Fuß- und Radwege, öffentlicher Nahverkehr und - ganz wichtig - den Ausbau von Carsharing.

Die ganze Diskussion „Für eine klimaneutrale Zukunft“ lässt sich auf dem Youtube-Kanal von Andreas Schwarz abrufen.