Wohnungsnot
Nadmi Nasri sucht ein neues Zuhause

Der Kirchheimer muss wegen Eigenbedarfskündigung eine Wohnung suchen. Da er blind ist, braucht er ein Umfeld, in dem er sich auskennt. Genau das macht die Suche besonders schwer. 

Nadmi Nasri kennt sich im Raunerviertel bestens aus und kann sich dort selbstständig bewegen. Foto: Carsten Riedl

Der Kirchheimer Nadmi Nasri leidet seit seiner Geburt an Retinitis Pigmentosa. Die unheilbare Erbkrankheit ist tückisch und kommt schleichend, meistens erst im Erwachsenenalter: Bis zu seinem 16. Lebensjahr hat Nasri von nichts gewusst, dann traten die ersten Symptome auf. „Es fing damit an, dass ich Sehfeldeinschränkgungen bekam, außerdem war ich nachtblind. Aber ich dachte, das wäre noch normal“, erzählt er. So verlief sein Leben weitestgehend in normalen Bahnen: Er machte seinen Abschluss auf der Allenschule und machte eine Ausbildung zum Bäcker, arbeitete bis zur Jahrtausendwende in einer Bäckerei.

Doch im Alter von 30 Jahren konnte er nicht mehr lesen, auch nicht mit Sehhilfe. Danach verschlechterte sich seine Sehkraft rapide – so stark, dass er heute erblindet ist, seine Umgebung und Personen nur schemenhaft erkennen kann. „Das können Sie sich vorstellen wie ein überlichtetes Bild“, sagt der 45-Jährige.

Aber wer den Sohn von damals so genannten „Gastarbeitern“ aus Tunesien trifft, erlebt einen Menschen, der sich an seine Situation angepasst hat und sein Leben selbständig führen kann. Zwar ist er seit 2018 auf einen Blindenstock angewiesen. „Doch damit bin ich sehr mobil“, sagt Nadmi Nasri.  Zum Gesprächstermin in der Kirchheimer Altstadt ist er selbständig von seiner Wohnung im Bulkesweg gekommen.

Doch eine Selbstständigkeit hängt von einer Bedingung ab. „Wichtig ist, dass ich ein gewohntes Umfeld habe“, sagt er. Und genau das ist bei dem 45-Jährigen in Gefahr: Aus seiner bisherigen Wohnung im Raunerviertel, in der er seit zwölf Jahren wohnt, soll er ausziehen. Sein Vermieter hatte bereits vor zwei Jahren Eigenbedarf für dessen Bruder angemdeldet. Nasri schaltete einen Anwalt ein, dann kam eine Räumungsklage. Ein Richter prüfte daraufhin, ob der Eigenbedarf gerechtfertig ist und wie die aktuelle Wohnsituation für den Bruder des Vermieters ist. Dieser kam zu dem Schluss, dass die Eigenbedarfskündigung rechtens ist.

Im Alter von 30 Jahren konnte er nicht mehr lesen, auch nicht mit Sehhilfe. Foto: Carsten Riedl

 

Die Nerven sind strapaziert 

Das ganze Prodcere hat Nasris Nerven ziemlich strapaziert, er hat seit Monaten Schlafprobleme. Auch um wieder Ruhe zu haben, hat er in der vergangenen Woche einem Vergleich zugestimmt. Nun bekommt er eine Abfindung, muss aber bis Ende Juni ausziehen. 

Die Wohnungssuche in der momentan angespannten Lage auf dem Wohnugnsmarkt stellt ohnehin schon eine Herausforderung dar, doch Nasris Erkrankung macht die Sache noch komplizierter. „Ich brauche mein gewohntes Umfeld, sonst kann ich mich nicht orientieren. Hier kann ich alleine einkaufen und mich bewegen“, erzählt er. Der Boden, die Gehwege, alles spiele eine wichtige Rolle für sein Wohlbefinden. Über die Kreisbau hatte er eine Zweizimmer-Wohnung in Freiwaldau angeboten bekommen. „Aber das ist wie im Irrgarten. Da komme ich nicht zurecht“, sagt er. Deshalb sei er darauf angewiesen, im Bereich Rauner wohnen zu bleiben, oder in der Gegend seiner Kindheit: Das Geflügelhof-Viertel in Kirchheim, in dem er aufgewachsen ist. „Da gibt es einen Lidl und Edeka, da kenne ich mich noch aus.“ Der Mitarbeiter schlug ihm noch vor, in eine Obdachlosenunterkunft gehen. „Das will ich natürlich nicht“, betont er, zumal er das unter seinen körperlichen Voraussetzungen nicht kann und finanziell auch nicht muss.

 

Finanziell abgesichert

In Eigeninitiative hat er sich bereits bei einigen Wohnungen beworben, die in Frage kommen, aber immer eine Absage kassiert. Dabei kann er sich finanziell eine Wohnung bis 1000 Euro leisten, denn er bezieht eine volle Erwerbsunfähigkeitsrente. „Optimal wäre eine Zweizimmer-Wohnung mit einem langfristigen Vertrag“, sagt er.

Auch bei der Stadt Kirchheim versucht man zu helfen, aber die warten noch auf den Gerichtsbeschluss, um tätig werden zu können. Der wird nun in Kürze kommen, aber die Zeit drängt. Auch die Diakonie hatte mit ihrer Hilfe bislang noch keinen Erfolg. „Wir sind an unsere Grenzen gekommen, was wir für ihn tun können“, sagt Mareike Cramer von Top ES. Das Projekt von Landkreis und Diakonie unterstützt Menschen, die wohnungslos sind oder von Wohnungslosigkeit bedroht sind. Allerdings habe man dort auch keinen eigenen Bestand an Wohnungen, so Cramer. Sie kann aber bei der Suche helfen. „Herr Nasri kann sich jederzeit wieder melden“, sagt sie.

 

Kontakt Wer etwas weiß oder gar eine Wohnung für Nadmi Nasri hat, kann sich bei ihm melden, am besten per Mail, die er mit einem Vorleseprogramm kombiniert hat: blindwalker79@web.de