Einen Joint dürfen Volljährige mit dem neuen Cannabisgesetz offiziell rauchen. Doch das heißt nicht, dass das Marihuana an jeder Straßenecke ausgepackt werden darf. Denn haben viele Parteien haben ein Mitspracherecht. Beispielsweise kann jeder Gastronom selbst entscheiden, ob in seinem Biergarten gekifft werden darf.
Kirchheims Oberbürgermeister Dr. Pascal Bader bezieht klar Stellung: „Individuelle Regelungen sind genau der falsche Weg. Wie sollen die Bürgerinnen und Bürger da verstehen, warum es in einer Stadt eine andere Regelung gibt als in der Nachbarkommune?“ Soweit der Spielraum vorhanden ist, werde die Stadt die Vorschriften so restriktiv wie möglich auslegen.
„Generell gibt es Verbotszonen für den Cannabiskonsum von 100 Metern um Sportplätze und Kinder- und Jugendeinrichtungen,“ erklärt Lutz Jaschke, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Reutlingen. Er fügt hinzu: „In Kirchheim gibt es noch keine spezifischen Regeln.“
Für Städte wurde die „Bubatzkarte“ entwickelt – eine Karte, in der die Verbotszonen rot eingezeichnet sind. Zu deren Verlässlichkeit äußert sich der Polizeisprecher: „Bei der Karte handelt es sich um keine offizielle Veröffentlichung, da hat sich einer grob Gedanken gemacht.“ Die Angaben können als Orientierung dienen, sind aber nicht vollständig.
Gesetz wirft Fragen auf
Das neue Drogengesetz ist am 1. April in Kraft getreten. Die Einhaltung und Kontrolle der neuen Gesetzeslage ist für die Polizei bisher kompliziert. Lutz Jaschke erklärt: „Da die Zeitläufe sehr kurz waren, stehen noch viele Abstimmungen mit den zuständigen Ordnungsämtern aus.“ Auch einige Rechtsbegriffe im Gesetz sind bisher nicht eindeutig definiert. Als Beispiel nennt der Polizeisprecher die Formulierung „in unmittelbarer Nähe von Minderjährigen“.
Hier sei unklar, welcher Abstand beim Cannabiskonsum konkret zu Minderjährigen gewahrt werden muss. Auch bei den Verbotszonen von hundert Meter um Sportstätten sowie Kinder- und Jugendeinrichtungen gibt es Unklarheiten. „Gilt diese Regel immer oder gilt sie nicht mehr, wenn ein Gebäude innerhalb dieser Zone steht?“ Für mehr Klarheit müssten einige Gerichtsurteile noch erfolgen. „Auch für die Menschen ist das Gesetz sehr kompliziert, da es so viele Sonderregeln gibt“, gibt Lutz Jaschke zu bedenken.
Das Polizeipräsidium Reutlingen rechnet mit einer Zunahme an berauschten Verkehrsteilnehmenden sowie mit ansteigenden Unfallzahlen. Um Kontrollen durchzuführen, kann die Polizei über das Fahrverhalten, auffällige Verhaltensweisen, körperliche Symptome sowie Testverfahren einen Verdacht auf Rauschmittel erlangen. „Mit einer Blutprobe wird die Drogenbeeinflussung dann letztendlich festgestellt“, sagt Lutz Jaschke.
Wie wird Cannabis erworben?
Um Cannabis legal zu erwerben, dürfen bis zu drei Cannabis-Pflanzen angebaut werden. Alternativ können sie über Cannabis-Clubs erworben werden. Der 1. Juli ist das Startdatum für den regulierten Eigenanbau sowie für den Verkauf über die Clubs. Im Kreis sind zwei solcher Clubs registriert - der „Cannabis Anbau Verein Esslingen“ und der „Cannabis Social Club Nürtingen“. Einen Interessenten zur Gründung eines Clubs gibt es bereits auch in Kirchheim.
Kommentar: Unmittelbar ungenau!
Mit der deutschlandweiten Einführung des Cannabisgesetzes, das eine Teillegalisierung für Erwachsene mit vielen Ausnahmeregeln vorsieht, sind Probleme programmiert.
Das Gesetz ist äußerst kompliziert in der Umsetzung für Polizei und Behörden. Die schwammigen Formulierungen erschweren es auch der Bevölkerung, die Regelungen zu verstehen. So heißt es zum Beispiel in Paragraph 5, Absatz 1 des Cannabisgesetzes (CanG): „Der Konsum von Cannabis in unmittelbarer Gegenwart von Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ist verboten“. Doch was heißt „unmittelbare Gegenwart“? Für die einen kann das ein Abstand von wenigen Metern sein, für andere der Aufenthalt auf demselben Parkplatz.
Selbstverständlich sollte der Drogenkonsum in der Nähe von Kindern und Jugendlichen strengstens untersagt sein, was durch die Neuregulierung auch so bleibt. Aber unklare Formulierungen machen es der Polizei nicht leichter, da angemessen durchzugreifen.
Bei unklarem Sachverhalt kann die Polizei selbst entscheiden, wie sie handelt. Das Positive daran ist, dass sie je nach Situation selbst entscheiden kann, ob es zu einer Verhaftung kommt.
Aber es kann ja nicht sein, dass in einer Gemeinde eine Person eine Strafe zahlen muss, weil direkt ums Eck zwei Jugendliche chillen – „in unmittelbarer Nähe”. Und in der Nachbargemeinde könnten kiffende junge Erwachsene davonkommen, die zwei Meter entfernt von ihren noch nicht volljährigen Freunden stehen. Anica Schubert