Dass die IHK Region Stuttgart Kirchheims Oberbürgermeister Dr. Pascal Bader zur Präsentation nach Esslingen eingeladen hat, um für ein Netzwerk von Unternehmen aus der Bioökonomie zu werben, hat einen guten Grund. In Kirchheim ist mit PMI ein innovatives Unternehmen beheimatet, das Produkte für optimale Wundheilung und Hautersatzstoffe entwickelt. Dann gibt es mit der Firma Feess einen Pionier im Recycling von
Baustoffen in der Teckstadt. Mit dem neuen Netzwerk bio2value wolle man mehrere Unternehmen dieser Art fördern, sagt Christoph Nold, Geschäftsführer der IHK Region Stuttgart: „Ziel sind Geschäftsmodelle, die sich nachhaltig tragen.“ Und davon gebe es bereits einige in der Region, nur wissen viele voneinander nicht, sagt Pascal Bader, der vor seiner Amtszeit als OB im Stuttgarter Umweltministerium gearbeitet hat. Mit bio2value soll sich das ändern, damit Unternehmen untereinander Kontakte knüpfen und Projekte mit der Forschung anstoßen.
Die damit verbundenen Hoffnungen sind groß. „Bioökonomie ist ein entscheidender Beitrag zur Nachhaltigkeit und kann gleichzeitig mit neuen Innovationen die lokale Wirtschaft stärken“, erklärt Professor Gabriele Gühring, Prorektorin Forschung und Transfer an der Hochschule Esslingen. Aus diesem Grund habe die Hochschule die Bioökonomie in verschiedenen Bachelor- und Masterstudiengängen verankert und fördert auch Start-Ups.
Wie zum Beispiel die Protein Distillery, die zwei ehemalige Studenten der Hochschule geründet. Mit ihrem Startup ist es ihnen gelungen, aus Bierhefe ein Protein herzustellen, das die gleichen Eigenschaften wie tierisches Protein aufweist und dadurch als Grundstoff für vegane Produkte verwendet werden kann.
Festo glaubt an neue Märkte
Das in der Region Stuttgart im Bereich Bioökonomie etwas geht, hat man auch in Berlin festgestellt. Seit kurzem hat das Bundeswirtschaftsministerium auf seine interaktiven Karte die Landkreise Esslingen und Göppingen als Beispielregionen aufgenommen. Zur Begründung heißt es unter anderem, dass es hier Maschinenbau und Automatisierungstechnik unter Nutzung von Reststoffen und nachwachsenden Rohstoffen gibt, insbesondere Pflanzenfasern, sowie Bioraffinerien.
Viele Länder wie Japan und die USA, aber auch die EU haben Bioökonomie-Strategien entwickelt. Diese sollen bei der Erreichung der Klimaziele helfen. Dr. Nina Gaißert, Abteilung Portfolio Projects bei Festo, erklärt: „Derzeitige industrielle Prozesse basieren hauptsächlich auf fossilen Rohstoffen. Ziel ist es, fossile Ressourcen durch nachwachsende Ressourcen zu ersetzen.“ Man habe einen Reaktor entwickelt, der mit Algen arbeitet.
Indem man sie „unter Stress“ setzt, produzieren sie je nach Algentyp und Umgebung Omega3-Fettsäuren oder sogar Biokunststoffe, die zu Granulat verarbeitet werden können und Eigenschaften wie Plastik haben. „Das ist zwar nicht biologisch abbaubar, aber klimaneutral hergestellt“, erklärt Nina Gaißert. Algen, Hefen und E.Coli-Bakterien können zur Herstellung von Lebensmitteln, Kosmetika oder Medikamenten eingesetzt werden. Algen haben einen weiteren Vorteil: Sie entnehmen der Luft CO2, dadurch haben manche Produkte aus Algen sogar eine negative CO2-Bilanz.
Die Erzeugung von Omega-3-Fettsäuren habe zudem den Vorteil, dass dafür keine Fische sterben müssen – denn die enthalten den begehrten Nährstoff. „Nur erzeugen das Fische nicht selbst, sie nehmen das über Krill auf, das von Algen stammt“, erklärt Nina Gaißert. Festo will die Technologie Firmen zur Verfügung stellen, um damit im großen Maßstab zu produzieren. Aktuell hat der Bio-Reaktor ein Volumen von 100 Litern, für einen größeren Einsatz müsste es ein Zehnfaches sein. „Mit diesen Anlagen gibt es für uns neue Märkte“, sagt die Biologin.
Innovation braucht auch Flächen
Gernot Imgart, Geschäftsführer der IHK-Bezirkskammern Esslingen-Nürtingen und Göppingen, sieht in der Bioökonomie eine Chance, die Transformation der Wirtschaft in der Region voranzubringen. Noch fehlt es ihm an weiteren Unternehmen im Netzwerk, daran müsse man arbeiten. Was ihm besonders am Herzen liegt. „Wir brauchen Nachwuchsleute und Flächen“, sagt er. Denn ohne neu ausgewiesene Flächen für Gewerbe, gebe es keine Transformation. „Nur den Status Quo einfrieren, reicht nicht, um den Wohlstand zu erhalten“, ergänzt Christoph Nold. „Natürlich sind wir in der Region Stuttgart dicht besiedelt, aber was die meisten nicht wissen: Nur drei Prozent sind Gewerbeflächen. Es muss uns gelingen, die Entwicklung neuer Gebiete besser zu erklären. Denn wenn Unternehmen keine Flächen finden, gehen sie weg.“