Kirchheim
Neugierige Blicke im Kirchheimer Steinquartier erlaubt

Wohnprojekt Eine Führung durch das Quartier bietet den Teilnehmerinnen und Teilnehmern interessante Einblicke in ein neues Konzept zum Thema Wohnen, Leben und Arbeiten. Von Marcus Wellige

Die Führung der Stadt Kirchheim ist ausgebucht und Oliver Kümmerle von der Abteilung Stadtplanung führt seine 20 Besucherinnen und Besucher durch das neue Quartier. Sie gehören unterschiedlichen Berufsgruppen an, aber vor allem sind es interessierte Menschen aus der Region, die Informationen zum neuen Steingauquartier wünschen. In diesem Jahr ist es bereits die fünfte Führung und Oliver Kümmerle freut sich nach wie vor über das große Interesse an dem innovativen Bauprojekt.

Bereits 2010 lobte die Stadt Kirchheim den Wettbewerb für die Neugestaltung des Steingauquartiers aus. Hierzu sollte auf dem Gelände der ehemaligen Textilfabrik Kolb und Schüle „ein Stück Stadt entstehen, mit allem, was dazu gehört: Leben, Wohnen und Arbeiten“, so Oliver Kümmerle. Wichtig ist der Stadt die Anpassung des neuen Quartiers an die nähere Umgebung. Einladende Flächen mit Marktcharakter im Erdgeschoss der neuen Gebäude sorgen so für Lebendigkeit. Darüber und nach hinten findet dann das Wohnen mit Balkonen und kleinen Gärten statt. So werden Bereiche für Familien geschaffen. Auf dem Gelände, das sich seit einigen Jahren im Eigentum der Stadt Kirchheim befindet, stehen nun Reihen- und Doppelhäuser. Allerdings entspricht die Aufteilung der Häuser nicht der typischen Bauweise. So kann ein Doppelhaus beispielsweise nach oben und unten aufgeteilt sein. Clusterwohnungen mit einem gemeinsamen Bereich, wie zum Beispiel der Küche und Räumen mit Rückzugsmöglichkeit finden sich ebenso im Steingauviertel wie Sozialwohnungen.

Auf das Auto verzichten

Im Rahmen des Konzeptvergabeverfahrens bewarben sich verschiedene Projekte um das Bauvorhaben. Darunter waren einzelne Bauträger beziehungsweise Investorprojekte, Baugemeinschaften sowie einzelne Bauherren. Die Stadt setzte dann die einzelnen Ideen, wie bei einem Puzzle, zusammen. Vor allem sollte ein Nutzen für die Quartiersgesellschaft und die Stadt durch die Auswahl entstehen. Unter jeder Wohneinheit befindet sich eine Tiefgarage, mit jeweils einem Stellplatz pro Wohnung. Durch die zentrale Lage des Quartiers soll erreicht werden, dass Bewohner ökologisch umdenken und in Zukunft immer mehr auf Autos verzichten. Straßen und die Innenhöfe sollen hier als gemeinsamer Raum mit Interaktionsmöglichkeiten angesehen werden. Spielende Kinder spiegeln hierbei den „Lebendigkeitsaspekt“ wider.

Es besteht für alle ein öffentliches „Gehrecht“ und es erfolgt eine soziale Kontrolle durch die Gemeinschaft. Ein „Leben miteinander“ von Jung und Alt wird angestrebt. So gibt es beispielsweise eine „Demenz-WG“ und auch „Service-Wohnen“, wobei ein Vertrag mit einem Pflegedienstleister abgeschlossen wurde. So können Menschen, auch im Alter über einen langen Zeitraum in ihrer Wohnung leben. Auch im gewerblichen Bereich findet sich der soziale Gedanke wieder. Das Café Mittendrin, an zentraler Stelle im Steingauquartier, ist ein Projekt der Werkstätten Esslingen-Kirchheim. Es berücksichtigt den Inklusionsgedanken.

Zum Abschluss der Führung weist Oliver Kümmerle noch auf die „Gemeinwesenheitsorientierung“ hin. Er zeigt den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Werkstatt, die für die gemeinsame Nutzung aller Quartiersbewohner zur Verfügung steht. Des Weiteren können sich Besucher der Bewohner in Gästeappartements einmieten und zuletzt wird die Gründung eines Quartiersforums angestrebt.

 

Leben, wohnen und arbeiten im Quartier

Im Steingauquartier finden sich 45 Einzelprojekte, die sich in 26 Bauträger- beziehungsweise Investorprojekte, 16 Baugemeinschaften und drei Bauherrenprojekte aufteilen. So konnten in zentraler Kirchheimer Lage 375 neue Wohnungen geschaffen werden. Davon befinden sich circa 66 Prozent im Eigentum der Bewohner und 34  Prozent werden als Mietwohnungen angeboten. „Zusätzlich sind 24 Gewerbeeinheiten – vom kleinen Büro für Dienstleistungen, über Manufakturen bis zum Lebensmitteleinzelhandel und Gastronomie – entstanden, verbunden mit neuen Arbeitsplätzen“, sagt Oliver Kümmerle. Alle Projekte nutzen eigene Bauträger und Handwerker, sodass viele einheimische Handwerker, wie Elektriker, Installateure und Schreiner Aufträge erhielten. Insgesamt führte die „Kleinteiligkeit“ zu einem verstärkt regionalen Bezug.

60 Prozent der Bewohner sind Neubürger der Stadt Kirchheim, was ebenfalls einen positiven Effekt auf den Kaufkraftzuwachs mit sich bringen wird, so die Hoffnung der Stadt. Eine abschließende Analyse ist jedoch erst nach endgültiger Fertigstellung des innovativen Projekts möglich, ist sich Oliver Kümmerle bewusst. mw