Mitte Dezember hat der baden-württembergische Landtag über die geplanten Änderungen im Schulgesetz debattiert. Voraussichtlich Ende Januar wird entschieden, ob die umfassende Reform verabschiedet wird. Sollte dem so sein, kommen auf die Schulen und Kitas im Land große Veränderungen zu. Für die Gymnasien im Land geht es dabei um die Rückkehr zu G9, also dem Abitur nach neun Schuljahren als Standardform ab dem Schuljahr 2025/26. Zunächst aber nur für die dann startenden Klassen fünf und sechs. G9 kehrt nicht 1:1 in der früheren Variante, sondern an aktuelle Anforderungen angepasst zurück. Die Gymnasien sollen selbst entscheiden, ob sie parallel weiterhin einen G8-Zug ab Klasse fünf anbieten. Zudem soll die verbindliche Grundschulempfehlung für den Besuch des Gymnasiums wieder eingeführt werden.
Mehr Freizeit am Nachmittag
„Ein Ziel des neuen G9 ist eine Entlastung der Schülerinnen und Schüler, was die aktuell hohe Anzahl an Wochenstunden von G8 angeht“, erklärt Martin Roll, Schulleiter des Kirchheimer Ludwig-Uhland-Gymnasiums (LUG). Das bedeute weniger Nachmittagsunterricht als derzeit.
Das neue G9, das aktuell zur Debatte steht, beinhaltet fünf zentrale Neuerungen. Unter dem Stichwort „Basiskompetenzen“ verbirgt sich die Aufstockung von jeweils einer Stunde in den Fächern Deutsch, Mathematik und der ersten Fremdsprache in den Klassen fünf und sechs. Dazu soll den „MINT-Fächer“ eine größere Bedeutung zuteil werden: Mathematik, Physik und Chemie sollen gestärkt werden. Zudem sollen Kompetenzen in den Bereichen Informatik, Künstliche Intelligenz und Medienbildung in einem eigenen Schulfach vermittelt werden, das von Klasse fünf bis elf auf dem Stundenplan stehen wird. Ein weiterer Fokus liegt auf der Demokratiebildung, der beruflichen Orientierung sowie dem individuellen Schülermentoring.
Theoretisch stünde den Gymnasien mit der Wiedereinführung von G9 offen, weiterhin auch einen G8-Zug anzubieten. Weder am LUG noch am Kirchheimer Schlossgymnasium verzeichnen die Schulleiter Martin Roll und Lucia Heffner derzeit eine nennenswerte Nachfrage. Der Wunsch nach G9 dominiere.
Die Elterninitiative „G9 jetzt! BW“ fordert auch nach dem gescheiterten ersten Volksantrag, der im vergangenen Jahr abgelehnt worden war, weiterhin G9 für alle laufenden G8-Klassen. Dafür hat die Initiative am 3. Dezember einen neuen Volksantrag mit einem Gesetzentwurf beim Landtag eingereicht und sammelt derzeit Unterschriften. Mindestens 40.000 müssen zusammenkommen, in der ersten Runde hatten 106.950 Personen unterschrieben. Im aktuellen Gesetzentwurf zum G9-Volksantrag fordert die Elterninitiative neben inhaltlichen Verbesserungsvorschlägen zum geplanten neuen G9 weiterhin, dass alle Kinder an den Gymnasien in Baden-Württemberg in neun Jahren das Abitur machen können, wenn sie das wollen. Auch ältere Schülerinnen und Schüler sollen so bald wie möglich zwischen G8 und einem um ein Jahr gestreckten Bildungsgang wählen können.
Organisatorischer Kraftakt
Die Forderung der Elterninitiative, das zusätzliche Schuljahr direkt für alle Klassenstufen einzuführen, hält Martin Roll für organisatorisch kaum umsetzbar und zudem nicht sinnvoll: „Die Älteren ab Klasse zehn kommen nächstes Schuljahr in die Kursstufe und werden darauf vorbereitet, in zwei Jahren das Abitur zu machen.“ Bei den neuen Fünft- und Sechstklässlern wieder mit der neunjährigen Schullaufbahn zu starten, sei dagegen machbar. „Da spielen bei der Umsetzung aber viele Faktoren rein, einer davon ist der Raumbedarf“, sagen Roll und Heffner. Der werde besonders beim Fachunterricht der im neuen G9 gestärkten Naturwissenschaften steigen, was die Schulen an ihre Kapazitätsgrenze bringe. „Bei den unteren Klassen wird der Fachunterricht vor allem vormittags stattfinden und die Räume werden ausgelastet sein. Dazu kommt die Kursstufe, die diese Stunden auch nicht ausschließlich am Nachmittag hat“, erklärt Martin Roll. Organisiert werden müsse parallel ebenso die Sanierung des LUG. Auch Lucia Heffner sieht das Fehlen von Klassenzimmern und zusätzlich Fachräumen für die Naturwissenschaften vorprogrammiert. Man sei im Dialog mit der Stadt. Ein Punkt, den es mit der Wiedereinführung von G9 und dem damit zurückgehenden Nachmittagsunterricht zu bedenken gelte, sei, so die Schulleiterin des Schlossgymnasiums, dass diese bisherigen Betreuungszeiten dann anderweitig organisiert werden müssen: „Da sind die Eltern darauf angewiesen. Da müssen wir uns etwas überlegen. Das wird noch spannend dieses Jahr.“