Kirchheim
Neustart für das fünfte Rad am Wagen?

Schienenverkehr   Die Deutsche Bahn will den Betrieb der Teckbahn zwischen Kirchheim und Oberlenningen ab 
September 2024 für mindestens fünf Jahre an einen anderen Betreiber abgeben. Von Peter Dietrich

Am heutigen Mittwoch stehen drei Bahnlinien auf der Tagesordnung des Verkehrsausschusses des Verbands Region Stuttgart: Die Teckbahn von Kirchheim nach Oberlenningen, die Schusterbahn von Kornwestheim nach Untertürkheim und die Express-S-Bahn S62 von Weil der Stadt nach Zuffenhausen. Alle drei Strecken will die Deutsche Bahn an ein anderes Unternehmen vergeben. Bei der Teckbahn soll dies ab September 2024 für fünf Jahre gelten, mit einer Verlängerungsoption um ein weiteres Jahr. Es sollen weiterhin die bisherigen vier Dieseltriebwagen der Baureihe 650 (Regio-Shuttle) verkehren, das neue Bahnunternehmen soll das Personal dafür stellen.

Genau dieses ist der Knackpunkt. „Die Teckbahn ist das fünfte Rad am Wagen der S-Bahn Stuttgart“, sagt der grüne Bundestagsabgeordnete und Bahnexperte Matthias Gastel. „Wenn Fahrpersonal bei der S-Bahn knapp ist, wird es von der Teckbahn abgezogen und dort der Betrieb eingestellt.“ Gastels Fazit: „Das auf der Teckbahn gefahrene Angebot ist ein einziges Desaster. Gefühlt wird dort mehr Schienenersatzverkehr gefahren als regulärer Bahnverkehr.“ Deshalb sei es sehr zu begrüßen, dass die Deutsche Bahn den Betrieb abgeben möchte. Gastel fände es noch besser, wenn die Deutsche Bahn dies dauerhaft tun würde.
 

Bürgermeister unzufrieden

Bereits Mitte Juli, sagt der Lenninger Bürgermeister Michael Schlecht, hätten die vier Kommunen an der Strecke den Verband Region Stuttgart in einem gemeinsamen Schreiben erneut auf die andauernd miserable Betriebsqualität der Teckbahn hingewiesen und dringend auf nachhaltige Verbesserung gedrängt. Zahlreiche und vor allem regelmäßige Betriebsausfälle und Langsamfahrstellen führten zu einer schon lange nicht mehr akzeptablen Betriebsqualität. Nachdem DB Regio offensichtlich nicht in der Lage sei, einen verlässlichen Betrieb der Teckbahn zu gewährleisten, forderten die Bürgermeister Verena Grötzinger (Owen), Rainer Haussmann (Dettingen), Günter Riemer (Kirchheim) und Michael Schlecht (Lenningen) gemeinsam, einen Betreiberwechsel zu prüfen. Vom jetzigen Beschlussvorschlag sieht sich das Quartett bestätigt. Es ist aber beunruhigt, dass der Betreiberwechsel erst im September 2024 erfolgen soll – bei den anderen beiden Strecken aber schon im Juni, obwohl für diese eine europaweite Ausschreibung geplant ist. Bei der Teckbahn plant die Bahn hingegen eine direkte Vergabe, was schneller gehen müsste, der Verband Region Stuttgart ist laut Sitzungsvorlage vertraglich zur Zustimmung verpflichtet.
 

Begründung der Deutschen Bahn

Die Deutsche Bahn wolle den Fokus bei der S-Bahn Stuttgart ausschließlich auf die Umstellung der S-Bahnen für den Digitalen Knoten Stuttgart richten, begründet ein Bahnsprecher die Entscheidung. Deshalb solle zwischen Kirchheim und Oberlenningen vorübergehend ein anderes Unternehmen fahren, das sowohl mit dem Betrieb als auch der Instandhaltung der dortigen Dieseltriebwagen weitreichende Erfahrungen habe. Dadurch bekämen die Fahrgäste im Lenninger Tal einen dauerhaft stabilen Betrieb. Neben der technischen Umrüstung der S-Bahnen müssten Triebfahrzeugführer für das Fahren mit der neuen Technik geschult werden. Deshalb könne die S-Bahn Stuttgart etwa bei erhöhten Krankenständen nicht mehr flexibel disponieren, trotz Neueinstellungen.
 

Tandem von Täles- und Teckbahn?

Wen könnte die Deutsche Bahn als erfahrenen Betreiber im Blick haben? Die Baureihe 650 ist im Land auch bei der Hohenzollerischen Landesbahn unterwegs, die inzwischen mit der landeseigenen SWEG verschmolzen ist. Doch deren Werkstatt ist in Gammertingen, also weit weg. Ganz anders bei der zur Transdev-Gruppe gehörigen Württembergischen Eisenbahn-Gesellschaft (WEG), die die Schönbuchbahn, Strohgäubahn, Wieslauftalbahn und Tälesbahn betreibt. Die Werkstatt der Tälesbahn ist in Neuffen, dort werden die Triebwagen der Baureihe 650 gewartet, die auf der Tälesbahn unterwegs sind. Die WEG ist zudem über ihre Bustochter WBG bereits in Kirchheim vertreten. Dass die Deutsche Bahn die WEG im Blick hat, ist deshalb sehr wahrscheinlich. Eine Anfrage des Teckboten hat diese bisher noch nicht beantwortet.

Pikantes Detail: Schon vor vielen Jahren sollte die Wartung der Teckbahn-Triebwagen in Neuffen erfolgen. Dies scheiterte damals daran, dass die Deutsche Bahn keine Fahrzeugdaten an Mitbewerber liefern wollte. Stattdessen wurde Plochinger Personal, das sich sonst nur um elektrische Triebwagen kümmert, extra für die Wartung der Kirchheimer Dieselexoten geschult. Diese fahren bisher auch zum Tanken nach Plochingen.
 

Bauarbeiten bis 2029

Mit einem Betreiberwechsel könnte sich die Personalsituation verbessern, damit wäre schon viel gewonnen. Was aber bleibt, ist das miserable Tempo auf der Teckbahn. Eigentlich war eine teilweise Erhöhung der Höchstgeschwindigkeit auf Tempo 80 geplant, sie war bereits im Fahrplan eingebaut. Dann wurde sie einen Tag vor Fahrplanwechsel mittels spontaner Einrichtung einer Langsamfahrstelle doch nicht umgesetzt, die versprochene Fahrzeitverkürzung war dahin.

„Für eine Erhöhung der Streckengeschwindigkeit ist unter anderem die Erneuerung von Bahnübergängen maßgeblich“, teilt ein Bahnsprecher mit. Eine Begründung, die der Nahverkehrsberater Hartmut Jaißle aus Lenningen nicht gelten lässt. „Zwischen Owen und Dettingen sowie zwischen Dettingen und Kirchheim gibt es lange Abschnitte ohne jeglichen Bahnübergang. Eine Langsamfahrstelle mit Bahnübergängen zu begründen, die dort gar nicht existieren, ist völlig inakzeptabel.“

Die Modernisierung der Bahnübergänge entlang der Strecke, so der Bahnsprecher, stehe bis 2029 auf dem Programm. Also weiter im Schneckentempo: In diesem Sommer haben sich die Arbeiten an mehreren Bahnübergängen um einen Monat verzögert, unter anderem wegen fehlender Kabel, laut Bahnsprecher sollen nun „voraussichtlich“ ab 9. Oktober wieder Züge fahren. Die Frage, ob im Sommer 2024 neue Streckensperrungen für Bauarbeiten vorgesehen sind – was die Vergabe erst ab September erklären könnte –, ließ die Deutsche Bahn trotz ansonsten ausführlicher Antwort unbeantwortet.

Problem EBA

Mehr als zwei Drittel aller Eisenbahnen in Deutschland werden vom Eisenbahn-Bundesamt (EBA) beaufsichtigt, von Eisenbahnern oft spöttisch „Eisenbahn-Verhinderungsamt“ genannt. Ihm ist es zu verdanken, dass an einigen Bahnübergängen auf der Teckbahn – bis zu deren Umbau – Tempo 20 gilt. Einmal gibt es eine Parkplatzzufahrt zur Firma Mosolf, einmal eine Einmündung, was über 100 Jahre lang kein Problem war – nach einem EBA-Mitarbeiterwechsel dann plötzlich schon. Fahrpläne und Anschlüsse interessierten das EBA nicht, erklärt ein Insider, die Deutsche Bahn wehre sich meist gar nicht, und wenn, dann vergeblich. Ob ein neuer Betreiber sich gegen das EBA entschiedener durchsetzen könnte, ist offen.   pd