Ich sehe oftmals, wie schon lange bestehende Unternehmen an alten Strukturen festhalten und dadurch den Anschluss an die Arbeitswelt von morgen verlieren“, sagt Luisa Leuze. Die Kirchheimerin und Inhaberin des Beratungsunternehmens Leuze Agency hat sich darauf spezialisiert, Unternehmen fit für die Zukunft zu machen.
Wieso aber müssen sich Unternehmen ändern, um zukunftsfähig zu bleiben, wo sich doch Altes bewährt hat und Tradition zu einem rettenden Anker in dieser unbeständigen Welt geworden ist? Es geht um Anpassung und Flexibilität und nicht darum, Altbewährtes und Tradition über den Haufen zu werfen, erklärt Leuze: „Wir leben in einer Welt, in der sich die Kundenwünsche schnell ändern können und der Mensch im Mittelpunkt steht. Wir haben auch gesehen, dass eine Pandemie die Menschen ins Homeoffice gezwungen hat. Dauerbrenner sind außerdem Digitalisierung und Globalisierung.“ Zum Trend des ortsunabhängigen Arbeitens kommt noch ein Generationswandel: „Die Generation der Babyboomer geht nach und nach in Rente, die Generation Z rückt nach. Sie wollen selbst gestalten, eine sinnstiftende Arbeit steht im Vordergrund.“
Die Antwort auf die aktuellen Herausforderungen und Chancen heißt „New Work“, erklärt die Kirchheimerin. Dabei, so präzisiert Luisa Leuze, handelt es sich um ein Mindset. Der Mensch und sein Wunsch nach Eigenständigkeit und sinnstiftender Arbeit steht im Mittelpunkt. In diesem Prozess begleitet sie die Unternehmer und Mitarbeiter als Change-Management- und New-Work-Consultant.
eine sinnstiftende Arbeit steht im Vordergrund.
Eines der Projekte, die die Beraterin zuletzt betreute, war der Standortzusammenschluss eines Unternehmens: 450 Mitarbeiter, zwei Standorte in derselben Stadt – und beide Gebäude standen, bedingt durch Homeoffice, zu Hälfte leer. Um Kommunikationswege effizienter zu gestalten und die immensen Kosten von zwei Gebäuden einzusparen, wurde entschieden, den einen Standort zu schließen und den anderen zu renovieren.
Weil nicht alle der 450 Mitarbeiter in dem verbleibenden Gebäude Platz für einen eigenen Schreibtisch hatten, waren die festen Plätze im Büro passé. So wird vermieden, dass Arbeitnehmer, die manchmal oder dauerhaft von zu Hause aus arbeiten, einen Tisch blockieren. Die Plätze können über ein digitales Buchungssystem reserviert werden – so wissen auch Kollegen und Vorgesetzte, wo die einzelnen Mitarbeiter am jeweiligen Tag sind.
Doch für manch anderen bricht mit dem Verlust des festen Platzes eine Welt zusammen: „Was das für manche Mitarbeiter bedeutet, kann man sich kaum vorstellen. Man richtet sich ja ein, bringt persönliche Gegenstände oder Pflanzen mit.“ Diese Sorgen aufzulösen – und die Belegschaft mitzunehmen –, ist elementar für den Erfolg der Umstellung. Zum einen wurden die Bedürfnisse und Wünsche abgefragt, zum anderen suchte sich Luisa Leuze aus jedem Team zwei Botschafter, die ihr bei der Kommunikation halfen und als Vorbilder dienen und so mögliche „Verweigerer“ mitziehen konnten.
Statt nach Abteilungen wurde das Büro nach Aufgaben unterteilt. So gab es beispielsweise einen Bereich, in dem an Schreibtischen konzentriert gearbeitet werden kann, dann gibt es einen Bereich für Meetings und einen Bereich für Gespräche und Telefonate. Wie die Räume tatsächlich aufgeteilt werden können, hängt von dem Unternehmen ab. „Eine Marketing-Agentur hat andere Anforderungen als eine Anwaltskanzlei – und die Finanz-Abteilung hat andere Bedarfe als die IT.“ Auch das Bild des Chefs im Eck-Büro gehört laut Luisa Leuze der Vergangenheit an.
Führungsstil verändert sich
Die Arbeit innerhalb der Teams und in den Führungsetagen verändert sich zunehmend: Die Hierarchien werden flacher, ein neuer Führungsstil zieht ein. Vorgesetzter ist nicht mehr, wer die größte Expertise in seinem Bereich hat. Stattdessen erweisen sich Personen als Führungskraft, die mit Coaching und Mentoring statt mit autoritären Befehlen arbeiten, die transparent kommunizieren und die Zusammenarbeit fördern. Statt detaillierter Vorgaben definieren sie nur das Ziel und lassen den Mitarbeitern Freiraum und Eigenverantwortung.
Die Eigeninitiative und Selbstverantwortung der Mitarbeiter zu fördern, ist ein zentraler Punkt von New Work. Den Mitarbeitern werden Entwicklungsräume aufgezeigt, die auch eine psychologische Sicherheit schaffen. So entsteht Raum für Innovation im Unternehmen. Je sicherer sich die Mitarbeiter fühlen, desto offener sind sie, Neues auszuprobieren.
„Ein Unternehmen, das sich und vor allem die Belegschaft gut auf diesen Wandel vorbereitet, wird nicht nur zukunftsfähiger, sondern auch wirtschaftlich erfolgreicher sein. Denn Mitarbeiter, die sich unsicher fühlen, Ängste vor dem Unbekannten haben und nicht wissen, wie sie in der neuen Welt der Arbeit agieren sollen, sind in ihrer Handlungsfähigkeit beschränkt. In diesem Zustand drohen Ineffizienz, wirtschaftliche Verluste und ungenutztes Mitarbeiterpotenzial“, schließt Luisa Leuze.
„Kultur frisst Strategie zum Frühstück“
Luisa Leuze ist Change-Management- und New-Work-Consultant. Mit dem Unternehmen Leuze Agency hat sie sich selbstständig gemacht. Als Wirtschaftspsychologin, Innovation Coach und Interior Designerin konzentriert sie sich auf das physische und psychische Wohlbefinden der Mitarbeiter und sieht sich als „Potenzialentfalterin“. Dabei arbeitet sie nicht allein, sondern holt je nach Bedarf weitere Experten für Change Management oder Bürogestaltung mit ins Boot.
Statt um „Work-Life-Balance“ gehe es heute um „Work-Life-Blending“, erklärt Luisa Leuze. Dabei verschmelzen Arbeit und Freizeit deutlich mehr als früher, vor allem der jüngeren Generation sagt das zu. Grundsätzlich geht es um die Frage: „Muss ich im Büro sein, um meinen Job zu erledigen? Dabei rät Luisa Leuze allerdings davon ab, dass sich die Mitarbeiter die Arbeitszeit völlig frei einteilen können: „Das sieht auf dem Papier gut aus, doch tatsächlich arbeiten dann alle zu unterschiedlichen Zeiten und sind weder untereinander noch für Kunden erreichbar.“
Wichtig für den künftigen Erfolg ist, neue Strukturen zu etablieren, die Mitarbeiter mitzunehmen und zu verhindern, dass sich wieder alte Arbeitsweisen einschleichen. Denn, so zitiert die Kirchheimerin den Management-Experten und Harvard-Professor John P. Kotter: „Kultur frisst Strategie zum Frühstück.“ kd